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Repräsentation und Parlamentarismus

Effizienz und Leistungsfähigkeit
parlamentarischer Strukturen

Repräsentation ist der zentrale Mechanismus demokratischer Regierungsweise. In allen Demokratien spielen Parlamente eine zentrale Rolle bei der politischen Willensbildung. Umfangreicher, schneller, komplexer – dies sind die Bedingungen, unter denen Parlamentarier*innen heute zu ihren Entscheidungen und Beschlüssen kommen müssen.

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Drei Faktoren machen dabei die Arbeit der Vertreterversammlungen immer herausfordernder: die Regelungserfordernisse des modernen Nationalstaates werden vielfältiger und schwieriger, politische Fragen sind zunehmend in einen globalen Kontext eingebettet und eine weitgehend demokratisierte Medienlandschaft (insbesondere soziale Medien) wirkt als Katalysator auf die Wahrnehmung politischer Probleme. Während also effiziente Parlamentsarbeit notwendig ist, um die vielen Gesetzentwürfe zu erarbeiten, herrschen gleichzeitig erschwerte Bedingungen, auch durch Fraktionen populistischer Parteien, die die Regeln und Traditionen guter Parlamentsarbeit konterkarieren – und das auf allen parlamentarischen Ebenen. Außerdem erhält die Legitimation parlamentarischer Beschlüsse durch die Idee Konkurrenz, direktdemokratische Verfahren, wie etwa Bürgerbegehren, seien besser geeignet, den Willen des Volkes widerzuspiegeln als repräsentative Verfahren.

Ausgehend von den Anfängen des modernen Parlamentarismus im 19. Jahrhundert untersucht die Parlamentarismus- und Parlamentsforschung die divergierenden Formen dieser Institution, ihre Prozesse und ihre Auswirkungen auf zum Beispiel andere Staatsorgane, wie Verfassungsgerichte. Sie betrachtet darüber hinaus die verschiedenen nationalen, subnationalen und länderübergreifenden Aspekte der Gesetzgebung an sich, etwa die Entwicklung des Europäischen Parlaments oder die legislative Mehrebenenverflechtung. Objekte der Parlamentsforschung sind somit die Abgeordneten und ihre verschiedenen Rollen, insbesondere innerhalb der Fraktionen, die Organisation der Gesetzgebung, aber auch die Verwaltung von Parlamenten.

Als evolutionären Prozess kann man dabei die Langsamkeit und Kleinteiligkeit von Veränderungen und Reformen dieser wichtigsten demokratischen Institution beschreiben. Das Grundgesetz und das Parlamentsrecht stellen dafür den Rahmen zur Verfügung. Einer der wichtigsten Grundsätze ist in diesem Kontext die Parlamentsautonomie, die es dem Parlament ermöglicht, selbst über seine Verfahren zu bestimmen. Über diese Verfahren stellt es Legitimation her und ist damit integraler Bestandteil der Gewaltenteilung. Welcher Abgeordnete wie lange sprechen darf, wie und in welcher Weise die Regierung im Parlament berichten muss oder wie viele Abgeordnete gemeinsam einen Untersuchungsausschuss einberufen können, sind nicht bloß bürokratische, sondern vitale Fragen der Demokratie.

Dabei können die Rahmenbedingungen für Parlamentsarbeit sehr unterschiedlich sein. Parlamentarische Regierungssysteme sind grundsätzlich anders strukturiert als präsidentielle: Das zentrale Merkmal parlamentarischer Systeme ist die politische Abhängigkeit der Regierung von der Parlamentsmehrheit. Dieses Prinzip führt dazu, dass die sogenannte Regierungsmehrheit als einheitliche Akteurin handelt, und es beeinflusst in Verbindung mit dem Mehrheitsprinzip alle Entscheidungsprozesse im Parlament und in den Parteien.

Darüber hinaus agieren die Parlamentarier stark arbeitsteilig – mit der Folge, dass es auch innerhalb der Fraktionen Führungsstrukturen gibt, die sowohl für die inhaltliche Arbeit als auch die Effizienz der Institution elementar sind. Die Fraktionen füllen mit dieser Arbeitsweise die Funktionen des Parlaments aus, wie die Gewährleistung der Gesetzgebung sowie der Opposition und die Responsivität gegenüber den Wähler*innen. Auch die Herstellung von Öffentlichkeit ist eine dieser Funktionen: Auf der einen Seite geht es um die formalrechtlich erforderliche Öffentlichkeit, das heißt die Zugänglichkeit von Informationen, wie Protokollen und Beschlüssen oder Sitzungen. Auf der anderen Seite gewährleistet auch die allgemeine Kommunikation der Parteien, Fraktionen und Abgeordneten Transparenz.

In der Parlamentarismusforschung hat es sich bewährt, stets zwei Dimensionen politischen Handelns zu betrachten: das formelle Handeln im Rahmen von Organen und ihren Untereinheiten, wie zum Beispiel Ausschüsse einerseits, und das informelle Handeln, wie Aushandlungsprozesse zwischen Akteur*innen im Parlament andererseits. Innerhalb dieses informellen Rahmens werden Entscheidungen getroffen, die dann im formellen Rahmen in Beschlüsse umgesetzt werden. Das Zusammenspiel und die Abhängigkeit dieser beiden Ebenen ist zentral für das Funktionieren des parlamentarischen Systems. Nicht zuletzt hat auch die Corona-Pandemie Anlass zu der Frage gegeben, wie sich das Parlament von augenscheinlich effizienteren Gremien, wie der Regierung oder auch Expertenkommissionen, unterscheidet. Die Strukturprinzipien ‚Arbeitsteilung‘ und ‚Informalität‘ zeigen auf, wie das Parlament auch zukünftig effiziente, transparente und partizipative demokratische Entscheidungen gewährleisten kann.

IParl: Blickpunkt / Calixte Bloquet / 11.01.2024

Artikel 49.3 der französischen Verfassung: Zügelung des Parlaments – koste es, was es wolle?

Artikel 49.3 der französischen Verfassung ermöglicht der Regierung, Gesetzentwürfe annehmen zu lassen, ohne dass die Nationalversammlung zustimmen muss – eine Regelung, die immer wieder kommentiert wird. Ursprünglich nur selten genutzt, wurde der Artikel im letzten Jahr bemerkenswert oft angewendet und erhielt auch weite Medienresonanz, da er genutzt wurde, um im Frühling 2023 eine höchst ...
Rezension / Robert Chr. van Ooyen / 18.12.2023

Annette Schorr: Die Rolle des Bundesrates bei der Wahl der Bundesverfassungsrichter

Wiesbaden, Springer 2022
Eine gängige Kritik am Wahlverfahren der Bundesverfassungsrichter*innen zielt auf den als zu groß empfundenen Einfluss der Parteien. Annette Schorr nimmt diese zum Ausgangspunkt ihrer Arbeit über die Rolle des Bundesrates in diesem Verfahren. Um den Einfluss der Parteien zurückzudrängen, schlägt sie eine öffentliche Ausschreibung der Richterstellen sowie die Erstellung einer Vorschlagsliste...
IParl-Podcast: Zwischenruf / Oliver Kannenberg, Danny Schindler, Annette Schwandtner / 19.10.2023

Kenia 60 Jahre nach der Unabhängigkeit: Zwischen Tradition und Green Technology

Oliver Kannenberg hat in der zwanzigsten Folge des "Zwischenrufs" Dr. Annette Schwandtner, Leiterin des Auslandsbüros der Konrad-Adenauer-Stiftung in Kenia und den Direktor des Instituts für Parlamentarismusforschung (IParl) Dr. Danny Schindler eingeladen. In ihrem Gespräch geht es neben den aktuellen Entwicklungen im Land um einige Besonderheiten des politischen Systems Kenias - eines Staates,...
Rezension / Victor Loxen / 11.09.2023

Julian Krüper, Arne Pilniok (Hrsg.): Mehrheit/Minderheit: Über ein notwendiges Strukturmerkmal des demokratischen Verfassungsstaats

Tübingen, Mohr Siebeck 2023
Der Sammelband behandelt aus politik- und rechtswissenschaftlicher Perspektive das Verhältnis von Mehrheit und Minderheit als „notwendiges Strukturmerkmal des demokratischen Verfassungsstaates“. Diskutiert werden beispielsweise Fragen nach der Rechtfertigungsfähigkeit und den Grenzen (relativer) Mehrheitsherrschaft, nach der Mehrheitsregel als Rationalitätsprinzip kollektiver Entscheidungen...
IParl: Blickpunkt / Oliver Kannenberg, Sarah Ketteniß, Lorenz Schleyer / 10.08.2023

Fraktionswechsel – ein unterschätztes Phänomen?

Die Debatte über eine potentielle Abspaltung des sogenannten Wagenknecht-Lagers innerhalb der Linkspartei wird seit mehreren Monaten mit harten Bandagen geführt und erreichte unlängst ihren vorläufigen Höhepunkt mit der Forderung des Parteivorstandes, Sahra Wagenknecht solle ihr Bundestagsmandat zurückgeben. Seit längerem steht mehr oder minder offen der geplante Bruch eines Teils der Linke...
Rezension / Danny Schindler / 19.05.2023

Berihun Adugna Gebeye: A Theory of African Constitutionalism

Oxford, Oxford University Press 2021
Berihun Adugna Gebeye hat mit seiner Monographie eine überzeugende Theorie zur Analyse der Verfassungsentwicklung in Afrika vorgelegt, so Danny Schindler in seiner Rezension Dies sei zu begrüßen, da die bisherigen theoretischen Ansätze ihrem Gegenstand nicht gerecht würden. Neben der theoretischen Fundierung überzeuge das Buch auch durch kenntnisreiche verfassungshistorische und staatsorgani...
IParl-Podcast: Zwischenruf / Oliver Kannenberg / 12.05.2023

Jung, engagiert, politisch: Generationswechsel im Bundestag?!

Noch nie saßen so viele junge Abgeordnete im Bundestag wie in der aktuellen Wahlperiode. Welche Herausforderungen erwarten junge Abgeordnete, wenn sie zum ersten Mal in den Bundestag einziehen? Und was möchten sie bewirken? Darüber spricht Oliver Kannenberg in der neuen Folge des Zwischenruf-Podcasts des Instituts für Parlamentarismusforschung. Seine Gäste sind die jüngste Abgeordnete der CD...
IParl: Blickpunkt / Roland Sturm / 08.05.2023

Roland Sturm: Repräsentation und Reform – das britische House of Lords

Das House of Lords gilt vielen seit langem als eine „Reformbaustelle“. Doch wie steht es um seine Repräsentationsfunktion im politischen System Großbritanniens? Roland Sturm untersucht für das Institut für Parlamentarismusforschung (IParl) die Rolle des House of Lords in Hinblick auf verschiedene Dimensionen der Repräsentation. Trotz bestehender Defizite in der prozeduralen, symbolischen,...
IParl-Akademie / David Kirchner, Sarah Ketteniß / 15.03.2023

Tagungsbericht: Frühjahrsakademie des Instituts für Parlamentarismusforschung

Was ist der state of the art der Parlamentarismusforschung? Welche Theorien und empirischen Erkenntnisse hat die Politikwissenschaft über die Funktionen, Arbeitsweisen und Krisendiagnosen von Parlamenten? Antworten auf diese Fragen gibt die Frühjahrsakademie „Parlamentarismus in Forschung und Praxis: Hohe Häuser vor hohen Herausforderungen“ des Instituts für Parlamentarismusforschung (IPar...
IParl: Veranstaltungshinweis / Anastasia Pyschny / 07.12.2022

„Parlamentarismus in Forschung und Praxis: Hohe Häuser vor hohen Herausforderungen“. Frühjahrsakademie vom 12. bis 19. März 2023 in Berlin

Zur Förderung der Parlamentarismusforschung veranstaltet das Berliner Institut für Parlamentarismusforschung (IParl) 2023 die erste IParl-Frühjahrsakademie für Studierende und Promovierende. Teilnehmer*innen besuchen neben den Lehrveranstaltungen im Verlauf einer Woche auch den Bundestag und den Bundesrat. Sie erhalten Einblicke in die parlamentarische Arbeit und die Möglichkeit, eigene Forsc...

Effizienz und Leistungsfähigkeit parlamentarischer Strukturen

Forschungseinrichtungen und Think Tanks


Kommission für Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien

Historische Parlamentarismus- und Demokratieforschung für Europa seit Ende des 18. Jahrhunderts bis heute
 

Research Committee of Legislative Specialists (RCLS) der International Political Science Association (IPSA)

Das RCLS fördert Komparatistik-Studien zu Gesetzgebungsorganen und ihrer Institutionen, Prozesse und Aktivitäten.


Weiterführende Links


IParl-Projekt „Standing Orders of Parties in Parliament (SOPiP)”

Fraktionsgeschäftsordnungen – ein unentdecktes Feld? Mitnichten, hier wird zur Binnenorganisation parteilicher Gruppen und innerfraktioneller Willensbildung geforscht.
 

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