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Repräsentation und Parlementarismus

Transparenz und (neue) Kommunikationsformen in der Politik

Politische Transparenz ist elementar für das Vertrauen in ein Gemeinwesen. So werden die Debatten des Deutschen Bundestags sowie der Länderparlamente medial übertragen, aufgezeichnet und akribisch protokolliert. Informationen zum politischen Geschehen sind allseits verfügbar, nicht zuletzt durch die Berichterstattung der Medien. Transparenz im Politischen lebt aber auch von aktiv geführter politischer Kommunikation. Aus dieser Perspektive nimmt die politikwissenschaftliche Kommunikationsforschung daher politische Krisen als Krisen der Kommunikation wahr, wo beispielsweise Parteien und Verwaltungen daran scheitern, politische Notwendigkeiten, aber auch Erfolge, über das bloße Bereitstellen von Informationen hinaus, zu vermitteln.

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Neuere Forschungsobjekte nehmen hier beispielsweise politische Narrative in den Blick, die sich mit den Fragen „warum und wozu“ Dinge geschehen beschreiben lassen. Diese wirken stets in politische Prozesse hinein: Angenommene Kausalitäten und Konflikte kreieren auch die Identitäten der Menschen und beeinflussen ihre politische Willensbildung. Narrative weisen Verantwortung mal dem Einzelnen („Jeder ist seines Glückes Schmied“), mal Gruppen (Politiker*innen, Feminist*innen, den Anderen) zu. Von mehr als einem Individuum geteilt, fungieren sie als sozialer Kitt für politische Bewegungen, Gesellschaften und Nationen. Insbesondere in Krisen gilt es, die Gemeinschaft durch attraktive, inkludierende Deutungen zusammenzuhalten und für notwendige Veränderungen zu motivieren. Gleichsam gilt es, mitunter konkurrierende Erzählungen zu identifizieren und aufzulösen.

Klassische Forschungsfelder sind dagegen die Binnenkommunikation in Parteien, aber auch die kommunikative Funktion von Spitzenkandidat*innen im Verhältnis zu den Bürger*innen: Politische Führungspersönlichkeiten wirken nämlich über die Parteilinie hinaus als Projektionsfiguren für Hoffnungen und befriedigen mit ihrem individuellen Kommunikationsverhalten mitunter auch instinktive Bedürfnisse der Wähler*innen (siehe Phänomene wie ‚Mutti Merkel‘ oder der sich als ‚Elitenschreck‘ gebärdende Multimillionär Donald Trump).

Die Kommunikation politischer Entscheidungsträger*innen wird, neben der Kommunikation der Medien, zuerst immer dort scharf kritisiert, wo Probleme ausgeklammert scheinen. Fehlende Rückkopplung, gar ein Zurückweichen vor Tabus, kann das Vertrauen in die demokratischen Institutionen stören – insbesondere, wenn zugleich ökonomische, sicherheitspolitische und soziale Probleme zu lösen sind. Phänomene wie Attentismus oder bloße Symbolpolitik führen dazu, dass mithin auch die schrittweise verlaufenden politischen Verfahren der demokratischen Aushandlungs- und Veränderungsprozesse in parlamentarischen Systemen in Gänze misstrauisch beäugt werden.

Die Digitalisierung katalysiert die politische Kommunikation zudem in bislang nicht dagewesener Form: Digitale Mitsprache ist in Zeiten von Facebook, Twitter, Instagram und TikTok jederzeit, über örtliche Entfernungen oder sprachliche Hindernisse hinweg, möglich. Dies gestattet den Dialog über jegliche Themen und erweitert den Zugang zu politischen Entscheidungsträgern – jeder hat potenziell Sendungsmacht und -reichweite. Ein steter digitaler Dialog über Politik zeigt aber auch, dass mit den Algorithmen, neben den klassischen Medien, eine neue Form der Gatekeeper in liberalen Systemen erschienen ist, die geteilten Content lediglich nach der Engagement-Rate der Follower bewerten. Antiliberale Inhalte gewinnen gerade hier an Boden und befördern gezielt Frustration sowie ein Gefühl von Hilflosigkeit gegenüber politischen Entscheidungsträger*innen. Die politikwissenschaftliche Kommunikationsforschung untersucht hier, die Effekte von ikonografischen Darstellungen im Netz, siehe Memes, und wie beispielsweise unterschiedliche Akteure gezielt mittels Framing einen Vertrauensverlust und politische Destabilisierung vorantreiben.

Innerhalb der politischen Kommunikationsforschung wird aktuell aber auch weiteren Trends nachgegangen, von denen der Wissenschaftler Jürgen Maier in einem Interview mit dem pw-portal aus dem Jahr 2021 vier nannte: Erstens eine Personalisierung von politischer Kommunikation in der Medienberichterstattung und in Wahlkampagnen. Zweitens eine zunehmende Emotionalisierung in der Berichterstattung und in Aussagen politischer Akteure. Drittens eine zurückgehende Authentizität bei der medialen Darstellung von Politiker*innen, die nun durch die sozialen Medien teilweise ausgeglichen werde. Viertens werde zunehmend Negative Campaigning in Medien und bei Wahlkämpfen, vor allem in den USA, untersucht.

Dass Kommunikationsprozesse rational ablaufen, ist nie garantiert. Die politikwissenschaftliche Kommunikationsforschung widmet sich daher der Frage, nach welchen Kriterien und unter Überwindung welcher Hindernisse es politischen Entscheidungsträger*innen auch künftig möglich ist, Mehrheiten in der Bevölkerung für notwendige Reformen zu gewinnen und gleichzeitig die eigene Responsivität zu pflegen.

Rezension / Stefan Matern / 15.08.2023

Chris Bail: Breaking the Social Media Prism. How to Make Our Platforms Less Polarizing

Princeton, Princeton University Press 2021
Liberale Demokratien leben doch von diskursivem Austausch und der Auseinandersetzung? Chris Bail blickt ernüchtert auf dieses Ideal der Aufklärung, denn Studien belegen: Menschen neigen dazu, nach Diskussionen mit der Gegenseite noch stärker an ihren politischen Überzeugungen festzuhalten. Was dies für Debatten auf sozialen Medien bedeutet und über Polarisierung verrät, arbeitet er in diese...
Digirama / Nina Beckmann / 22.06.2023

The Intersection of Film and Politics: Exploring the Power of Cinematic Expression

In today's interconnected world, film and politics share a dynamic relationship that is both fascinating and influential. Cinema, as a powerful visual medium, has the potential to transcend entertainment and become a potent tool for expressing political ideas, sparking social movements, and driving meaningful change. By exploring the intersection of film and politics, we can uncover the intricate ...
Rezension / Michael Kolkmann / 31.01.2023

Dirk von Gehlen: Meme. Muster digitaler Kommunikation

Berlin, Verlag Klaus Wagenbach 2020
Dirk von Gehlen untersucht hier ein populäres (Klein-)Format, an dem auch das Politische im Netz längst nicht mehr vorbeikommt. Dabei stellt er unter anderem vier größere Entwicklungslinien innerhalb der öffentlichen (digitalen) Debatte vor, die auch Memes als Bestandteile der politischen Kommunikation auszeichneten: Popularisierung, Polarisierung, Personalisierung und Prozess, so unser Rezen...
Rezension / Tanja Thomsen / 24.11.2022

Samira El Ouassil, Friedemann Karig: Erzählende Affen. Mythen, Lügen, Utopien. Wie Geschichten unser Leben bestimmen

Berlin, Ullstein Verlag 2021
Narrative werden oft als Zutat populistischer fake news oder als Antipoden der Rationalität rezipiert. Samira El Ouassil und Friedemann Karig widmen ihr Buch nun der kollektiven Macht von Erzählungen. Dabei möchten sie zeigen, wie diese auf Menschen einwirken und von jeher ein Werkzeug des Zusammen- und Überlebens darstellen. Da politische Chancen- und Ressourcenverteilung und Lösungsansätze...
Rezension / Günter Lipfert / 27.07.2022

Tanjev Schultz: Medien und Journalismus. Einfluss und Macht der Vierten Gewalt

Stuttgart, Kohlhammer 2021
Tanjev Schultz eruiert den Verdienst unzensierter Medien innerhalb der deutschen Demokratie und beschreibt damit verbundene Anforderungen an Journalist*innen. Hierzu nutzt er Beispiele, um auf Fallen medialer Macht sowie deren ethische Anforderungen hinzuweisen. Aufgrund aktueller Entwicklungstendenzen medialer Arbeit brauche es weiter freie Medien, welche Berichte und Meinungen für die Öffentli...
Kommentar / Axel Heck / 15.10.2021

Weder der Tradition entsprechend noch zukunftweisend

Trotz der dramatischen Entwicklungen in Afghanistan blieb es im Wahlkampf seltsam still um Deutschlands Rolle in der Welt. In seinem Kommentar unterstreicht Axel Heck, dass in der Vergangenheit Wahlkämpfe sehr wohl von außenpolitischen Fragen geprägt waren, insofern sich an ihnen nicht selten ideologische Differenzen festmachen ließen. Mögen die Kontroversen hier inzwischen weniger scharf s...
Interview / Louise Zbiranski, Victoria Rietig / 12.10.2021

Wider die „gefühlten Zahlen“. Vorannahmen in der migrationspolitischen Debatte und die Chancen eines sachlicheren Blicks

In der Debatte um Migration kochen die Emotionen oft hoch, auch weil Vorannahmen und gegensätzliche Überzeugungen aufeinanderprallen. Im Interview erklärt Victoria Rietig, Leiterin des Migrationsprogramms der DGAP, wie sich dies auf die Politikberatung auswirkt und was zu einer Versachlichung der Debatte beitragen könnte. Zudem plädiert sie dafür, auch in migrationspolitischen Fragen stär...
Interview / Louise Zbiranski, Jürgen Maier / 05.08.2021

Haben es Politikerinnen in den Medien schwerer?

Annalena Baerbock, Hillary Cliton, Angela Merkel – wann immer Frauen nach der Macht streben, entsteht eine Debatte darüber, ob Politikerinnen in den Medien einen schwereren Stand haben als ihre männlichen Kollegen. Wir haben Jürgen Maier von der Universität Konstanz-Landau dazu interviewt, wie sich ein solcher Verdacht wissenschaftlich überprüfen ließe. Auch darum, wie sich politische Kom...
Rezension / Frauke Schröder / 22.04.2021

Maik Fielitz / Holger Marcks: Digitaler Faschismus: Die sozialen Medien als Motor des Rechtsextremismus

Berlin, Dudenverlag 2020
Maik Fielitz und Holger Marcks eruieren die Struktur des Neuen Rechtsextremismus aus medial-organisatorischer Perspektive. Dabei diskutieren sie unter anderem den Faschismusbegriff in zunehmend digitalisierten Gesellschaften der Gegenwart und untersuchen die Rolle der sozialen Medien für rechtsextreme Tendenzen in Deutschland, den USA oder in Großbritannien. Beide Autoren plädieren mit ihrer so...
Rezension / Günter Lipfert / 20.01.2021

Myriam Revault d‘Allonnes: Brüchige Wahrheit. Zur Auflösung von Gewissheiten in demokratischen Gesellschaften

Hamburger Edition 2019
„Alternative Fakten“ oder „Fake News“ sind längst geläufige Begriffe. Sie sind Ausdruck für ein Problem, mit dem sich die Politik in den vergangenen Jahren zunehmend konfrontiert sieht: Wahrheit hat an Eigenwert verloren. Nicht mehr Fakten, sondern Gefühle und persönliche Einschätzungen prägen die öffentliche Meinung. Mit Myriam Revault d’Allonnes fragt eine französische Philoso...

Transparenz und (neue) Kommunikationsformen in der Politik


Veröffentlichungen


Vortrag beim Kölner Kongress 2022 / Dirk von Gehlen / 26.05.2022

Die Glut-Theorie der politischen Debatte

Deutschlandfunk

Über die Rolle memeistischer Scherze bei Debatten im heutigen digitalen Leben. Und wie sie so sogar den öffentlichen Diskurs bestimmen (können).
 

Interview / Jürgen Maier, Louise Zbiranski / 05.08.2022

Haben es Politikerinnen in den Medien schwerer?

pw-portal

Wann immer Frauen nach der Macht streben, entsteht eine Debatte darüber, ob Politikerinnen in den Medien einen schwereren Stand haben.

Analyse / Christoph Neuberger / 04.03.2022

Digitale Öffentlichkeit und liberale Demokratie

Bundeszentrale für politische Bildung

Wo liberale Demokratie in Krisen geraten, kann die digitale Öffentlichkeit einen positiven Beitrag für deren Erhalt leisten. 

Leitfaden / College of Behavioral, Social and Health Sciences; Research; Wilbur O. and Ann Powers College of Business / 14.09.2020

Troll Spotting

Clemson News

Darren Linvill und Patrick Warren erforschen in ihrem Kooperationsprojekt an der Universität Buffalo seit 2017 Desinformationskampagnen auf Sozialen Medien.  


Forschungseinrichtungen und Think Tanks
 


Institut für Medien- und Kommunikationspolitik (IfM)

Das IfM forscht zu Qualität, Vielfalt und Innovation in Journalismus, Medienpolitik und politischer Kommunikation.

Arbeitseinheit „Politische Kommunikation" an der Universität Koblenz-Landau 

Wie Kommunikation über Politik zwischen Bürgern und Eliten im Detail funktioniert, wird an der Universität Koblenz-Landau erforscht: Welche Rolle spielen Massenmedien, welche übernehmen neue Medien und wie lassen wir uns in politischen Einstellungen und im Wahlverhalten von Inhalten politischer Kommunikation beeinflussen. 


Weiterführende Links
 


Transparency International Deutschland e. V.

Transparency International Deutschland e. V. engagiert sich bundesweit für die Bekämpfung und Eindämmung von Korruption.
 

Jung. Digital. Engagiert. Freiwillige im Porträt

Digitalisierung verändert unser aller Leben. Neue Formen für Kooperationen und Engagement entstehen. „Jung. Digital. Engagiert.“ präsentiert daher Beispiele digitalen Engagements in Reportagen, Interviews, Videos und wissenschaftlichen Texten.