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Niels Beckenbach (Hrsg.)

Wege zur Bürgergesellschaft. Gewalt und Zivilisation in Deutschland Mitte des 20. Jahrhunderts

Berlin: Duncker & Humblot 2005 (Zeitgeschichtliche Forschungen 26); 310 S.; 34,- €; ISBN 978-3-428-11977-6
Wo liegen die „Quellen für die exorbitante Gewalt in der politischen Kultur Deutschlands im 20. Jahrhundert“ (11)? Der Kasseler Soziologe Beckenbach skizziert diese als untrennbar mit den gesellschaftlichen Verhältnissen verbunden. Erklärte Gewaltregime wie der Nationalsozialismus oder der sowjetisch geprägte Kommunismus seien nicht plötzlich und überfallartig in eine „bis dahin friedliche und gleichsam ‚unschuldige’ Sozialwelt“ (30) hereingebrochen. Vielmehr seien im Deutschland der zwanziger und dreißiger Jahre, anders als beispielsweise in den USA, Frankreich oder Großbritannien, die Zerreißproben der frühen Moderne besonders extrem aufgetreten. Die Kultur des urbanen Bürgertums sei unterentwickelt gewesen, an Traditionen des Gemeinsinns habe es gefehlt. Die politische Kultur sei stattdessen geprägt gewesen durch „eine rückwärtsgewandte Romantik, nationales Selbstmitleid, Fatalismus und in der Konsequenz eine immer mehr ins Irrationale, ja ins Paranoide abgleitende Feind-Welt“ (21). Nicht nur die Nationalsozialisten hätten sich dies zunutze machen können, mit Blick auf die DDR könne sogar von einer „Kontinuität zweier Diktaturen“ (13) gesprochen werden. Im Anschluss an diese einleitende Verknüpfung von politischer Kultur und staatlicher Gewalt hat Beckenbach Analysen „von politisch motivierter Gewalt aus der Perspektive von Zeitzeugenschaft und singulärer Deutung“ (15) zusammengestellt, die bis in die jüngere Vergangenheit reichen: Neben Texten von Ralph Giordano über die Kontinuität des Antisemitismus im Nachkriegsdeutschland und Hermann Kreutzer über die Zwangsvereinigung von SPD und KPD in Thüringen, neben Beiträgen von Freya Klier, Ehrhart Neubert und Jürgen Haschke über die Schwierigkeiten oppositionellen Denkens und Handelns in der DDR, schreiben Manfred Kittlaus, Bettina Röhl und der Herausgeber über den Terrorismus der RAF und damit über ein drittes deutsches Gewaltregime, das sich aus einem spezifischen Weltbild speiste.
Natalie Wohlleben (NW)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.31 | 2.313 | 2.314 | 2.37 | 2.35 | 2.331 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Niels Beckenbach (Hrsg.): Wege zur Bürgergesellschaft. Berlin: 2005, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/25145-wege-zur-buergergesellschaft_29106, veröffentlicht am 25.06.2007. Buch-Nr.: 29106 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken