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Michael Schwartz

Vertriebene und "Umsiedlerpolitik" Integrationskonflikte in den deutschen Nachkriegs-Gesellschaften und die Assimilationsstrategien in der SBZ/DDR 1945-1961

München: R. Oldenbourg Verlag 2004 (Quellen und Darstellungen zur Zeitgeschichte 61); XI, 1.247 S.; Ln., 128,- €; ISBN 3-486-56845-0
Geschichtswiss. Habilitationsschrift Münster; Gutachter: H.-U. Thamer. - In Westdeutschland werde die Aufnahme der Flüchtlinge aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten nach Kriegsende gerne als Erfolgsgeschichte erzählt. Es herrsche zudem der Eindruck vor, „als seien Vertriebenenproblematik und Integrationspolitik ausschließlich Angelegenheiten der westdeutschen Bundesrepublik gewesen“ (1), schreibt Schwartz, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Zeitgeschichte München-Berlin. Tatsächlich aber nahm die SBZ mit einem Drittel der Vertriebenen im Verhältnis zu ihrer Bevölkerungszahl deutlich mehr Menschen auf als die alte Bundesrepublik. Der „Mythos der schnellen Integration“ (8) trifft allerdings auf beide Teilstaaten nicht zu, wie Schwartz nachweist. Er konzentriert sich im Hauptteil zwar auf die „Umsiedlerpolitik“ (wie es dort hieß) in der SBZ/DDR, ordnet das Geschehen aber in einen „intranationalen deutsch-deutschen Vergleichshorizont“ (3) ein, womit ihm überzeugend die „Zerstörung gedankenloser Erfolgsmythologien“ (1.199) der gesamtdeutschen Nachkriegsgeschichte gelingt. Für die SBZ/DDR kommt er nach einer ausführlichen Darstellung der Integrationspolitik zu dem Ergebnis, dass die Umsiedlerpolitik und das DDR-System schon aus ideologischen Gründen inkompatibel gewesen seien. Mit dem offiziellen Ende dieser Politik in den Fünfzigerjahren - womit fortbestehende soziale Problemlagen „grundsätzlich individualisiert“ (35) wurden - habe die SED aber auch auf die ablehnende Haltung der alteingesessenen Bevölkerung gegenüber den Flüchtlingen reagiert. Dieser „Mangel an Solidarität“ (1.196) war allerdings kein spezifisches DDR-Phänomen, wie Schwartz zeigt, auch im Westen sei den Flüchtlingen die gesellschaftliche Anerkennung für ihr besonders schweres Kriegsschicksal verweigert worden. Schwartz ist überzeugt, dass der dennoch entstandene „falsche Mythos solidarischer Vertriebenenintegration aktuelle Integrationsprozesse im Einwanderungsland Deutschland massiv behindert“ (1.197).
Natalie Wohlleben (NW)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.314 | 2.313 | 2.35 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Michael Schwartz: Vertriebene und "Umsiedlerpolitik" München: 2004, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/22433-vertriebene-und-umsiedlerpolitik_25595, veröffentlicht am 01.01.2006. Buch-Nr.: 25595 Rezension drucken