Diss. Göttingen; Gutachter: F. Walter, P. Lösche, H. Korte. – Welche Rolle spielen Personen in der Politik? Hält man sich an Erklärungsmodellen und Kategorisierungen der Sozialwissenschaften, so scheinen Makrogrößen – also Institutionen, Strukturen oder Systeme – den Ausschlag für politische Prozesse zu geben. Konträr dazu nehmen Medien das politische Geschehen primär personalisierend wahr und wie die Einstellungsforschung zeigt, adressieren auch Wähler ihre (positiven oder negativen) Erwartungen an politische Leitfiguren. Ebenso geht der Autor mit Blick auf die fortschreitende Auflösung von Kollektivstrukturen, die zunehmende Individualisierung und steigende Aushandlungszwänge von der hohen Bedeutung von Personen aus, weil „die Persönlichkeit [...] Grundlage für den Aufbau von Beziehungen, Loyalitäten und Hausmächten bilden und den Resonanzboden für Sympathie und Ablehnung, Vertrauen und Misstrauen bei den Wählern und der Bevölkerung darstellen wird“ (11 f.). Zwar gibt es – überwiegend im angelsächsischen Raum – etliche Studien über Leadership (zumeist auf Regierungsführungen bezogen), gleichwohl ist die Auseinandersetzung mit politischer Führung bisher von einem Theoriedefizit gekennzeichnet. Für Micus ist ein vergleichend angelegtes Fallstudiendesign auf Basis von „Most different Cases“ das gebotene Untersuchungskonzept, mit dem sich reduktionistische Deutungen – die entweder das Individuelle oder das Institutionelle überzeichnen – am ehesten vermeiden lassen. Die Auswahl der Einzelstudien bezieht sich auf Positionen der Bundesebene (Parteivorsitzender, Generalsekretär, Kanzlerkandidat) und umfasst mit den behandelten Personen – Willy Brandt, Ralf Dahrendorf, Kurt Biedenkopf sowie den Führungsfiguren der PDS – eine breite Spanne der bundesrepublikanischen Politikgeschichte.