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Robert Lorenz

Protest der Physiker. Die "Göttinger Erklärung" von 1957

Bielefeld: transcript Verlag 2011 (Studien des Göttinger Instituts für Demokratieforschung 3); 400 S.; 33,80 €; ISBN 978-3-8376-1852-5
Politikwiss. Diss. Göttingen; Begutachtung: F. Walter. – Am 12. April 1957 warfen renommierte Atomwissenschaftler – unter ihnen Werner Heisenberg und Otto Hahn – Bundeskanzler Konrad Adenauer vor, die aus der Atombombe resultierenden Gefahren zu verharmlosen, und forderten in einem politischen Manifest den Verzicht auf nukleare Rüstung. Lorenz fragt nach den individuellen Beweggründen der Unterzeichner dieser sogenannten Göttinger Erklärung. Ging es hier ausschließlich um ethische Bedenken? Der Autor analysiert die Biografien und Karrieren der achtzehn beteiligten Professoren. Diese hätten sich zwar geschlossen auf ihre gesellschaftliche Verantwortung angesichts der amerikanischen Atombombenabwürfe berufen, dennoch sei dieses Motiv lediglich bei Max Born genuin gewesen. Lorenz begründet diese Einschätzung damit, dass der Nobelpreisträger in Bezug auf seinen Status und seine wirtschaftliche Existenz vollständig saturiert gewesen sei. So sei es Born, dessen Schüler in den USA die Wasserstoff- und die Atombombe entwickelt hatten, ein echtes Anliegen gewesen, nachfolgende Kernphysiker für die Risiken dieser Technik zu sensibilisieren. Im Gegensatz dazu sei es Carl Friedrich von Weizsäcker, dem Sprecher der Gruppe, vorrangig um seine eigene politische Profilierung gegangen. Eine weitere Gruppe – personifiziert durch Rudolf Fleischmann und Walther Gerlach – habe sich gegenüber der Politik durchsetzen wollen. Konkret sei es den Wissenschaftlern dabei um die Akzeptanz der grundlegenden Erkenntnis gegangen, dass sich taktische und strategische Waffen wegen der ortsungebundenen Wirkung von Radioaktivität im Ernstfall nicht voneinander unterscheiden und große Bevölkerungsanteile nicht vor der Wirkung der Radioaktivität geschützt werden können. Lorenz sieht das Verdienst der Göttinger Erklärung darin, dass auf diese Weise die Atomwaffenambitionen Adenauers aufgedeckt und ein brisantes Thema auf die politische Tagesordnung gesetzt wurde. Darüber hinaus diente sie den seit dem Zweiten Weltkrieg an Statusverlust leidenden deutschen Atomwissenschaftlern zur gesellschaftlichen Rehabilitation.
Marinke Gindullis (MG)
Politikwissenschaftlerin.
Rubrizierung: 2.313 | 2.331 Empfohlene Zitierweise: Marinke Gindullis, Rezension zu: Robert Lorenz: Protest der Physiker. Bielefeld: 2011, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/34259-protest-der-physiker_41117, veröffentlicht am 10.11.2011. Buch-Nr.: 41117 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken