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Joachim Raschke / Ralf Tils

Politik braucht Strategie – Taktik hat sie genug. Ein Kursbuch

Frankfurt a. M./New York: Campus Verlag 2011; 263 S.; 24,90 €; ISBN 978-3-593-39420-6
„Politische Strategien sind erfolgsorientierte Konstrukte von Politikakteuren, die auf situationsübergreifenden Ziel-Mittel-Umwelt-Kalkulationen beruhen“ (56), erklären die Autoren. Eine Strategie ist demnach die Zieldefinition eines politischen Kollektivs, beispielsweise einer Partei. Sie dient dazu, Menschen hinter einem gemeinsamen Ziel zu vereinen, und hilft der Politik, ressortübergreifende und allumfassende Problemlösungsansätze zu kreieren. Dabei müssen diverse „Teil- und Gesamtinteressen“ verschiedener „individueller und kollektiver Akteure“ (53) berücksichtigt werden. In der realen Politik ist der Entwurf und das Anwenden von Strategien nach Ansicht von Raschke und Tils jedoch kaum entwickelt. Die Gründe dafür sind unter anderem die ständigen „Macht- und Konkurrenzkämpfe“ (9) sowie die Mehrfachbelastungen der Politiker. Um sich dem Thema zu nähern, schauen die Autoren zunächst auf die bundesdeutsche Geschichte und beschreiben die Strategien seit 1949. Dabei zeigen sie, dass die Strategiefähigkeit einer Partei mit der Länge der Oppositions- beziehungsweise Regierungszeit direkt zusammenhängt. Je länger eine Partei in der Opposition ist, desto strategiefähiger wird sie. Bei Parteien, die eine lange Zeit an der Regierung sind, zerfällt die Strategiefähigkeit und sie neigen dazu, im politischen Alltag das große Ganze aus den Augen zu verlieren. Als Beispiel wird die Ära Helmut Kohls genannt. Zu Beginn seiner Regierungszeit hatte er ein ausgeprägtes strategisches „Navigationsinstrument“ (37), das jedoch im Laufe der langen Kanzlerschaft abstumpfte. Nach dem zeitgeschichtlichen Exkurs gehen die Autoren ausführlich auf das Entwickeln und Umsetzen von Strategien ein. Sie kreieren einen Leitfaden zur Strategiebildung und untermauern diesen mit praktischen Beispielen aus der jüngeren deutschen Parteiengeschichte. Dabei werden auch strategische Misserfolge beleuchtet, wie zum Beispiel das Projekt 18 der FDP im Wahlkampf 2002. Mit dem Verfehlen des Ziels, 18 Prozent der Wählerstimmen zu erhalten, verlor die FDP ihre Glaubwürdigkeit. Aus der Darstellung solcher Misserfolge ziehen die Autoren eingängige Erkenntnisse. Sie empfehlen, vor jeder Strategiebildung die Lage realistisch zu bewerten – 18 Prozent waren für die FDP ein absehbar utopisches Ziel. Insgesamt gelingt es den Autoren, eine Methodik der systematischen Strategieentwicklung im politischen Bereich zu entwickeln. Vor allem politische Praktiker werden wertvolle Erkenntnisse aus dem Buch ziehen.
Marko Jakob (MJ)
Dr., MBA.
Rubrizierung: 5.2 | 2.313 | 2.315 | 2.333 Empfohlene Zitierweise: Marko Jakob, Rezension zu: Joachim Raschke / Ralf Tils: Politik braucht Strategie – Taktik hat sie genug. Frankfurt a. M./New York: 2011, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/33907-politik-braucht-strategie--taktik-hat-sie-genug_40632, veröffentlicht am 09.06.2011. Buch-Nr.: 40632 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken