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Stephan Scheiper

Innere Sicherheit. Politische Anti-Terror-Konzepte in der Bundesrepublik Deutschland während der 1970er Jahre

Paderborn u. a.: Ferdinand Schöningh 2010 (Sammlung Schöningh zur Geschichte und Gegenwart); 452 S.; 48,- €; ISBN 978-3-506-76923-7
Für die Drucklegung umstrukturierte, überarb. und ergänzte Diss. Tübingen; Gutachterin: G. Metzler. – Wie hat sich der Terrorismus in Deutschland und insbesondere der „Deutsche Herbst“ 1977 auf das staatliche Handeln ausgewirkt? Diese Frage bildet den Gegenstand der politikgeschichtlichen Abhandlung, für die der Autor eine enorme Fülle an Material – darunter die Akten des Bundesinnen- und des Bundesjustizministeriums sowie des Bundeskriminalamts und der Generalbundesanwaltschaft – ausgewertet hat. Es geht ihm darum, Inhalte, Strukturen und Akteure staatlichen Handelns in den 70er-Jahren in die historische Gesamtentwicklung Deutschlands nach 1945 einzuordnen. Dazu nimmt er sowohl den Modernisierungsprozess der 60er- und 70er-Jahre als auch die westlich-transnationalen Entwicklungen in den Blick. Vor allem aber knüpft Scheiper an vorhandene Befunde über die funktionelle Rolle der RAF für die deutsche Gesellschaft an. Er vertritt die These, dass der deutsche Rechtsstaat erst im Verlauf der terroristischen Bedrohung und auf der Grundlage eines gewandelten Staatsverständnisses in den 70er-Jahren „innerhalb der westlichen Gemeinschaft selbständig ‚laufen lernte’“ (10): Die „bundesdeutsche Gesellschaft musste lernen, auch die härtesten Konfliktfälle nach westlichen, demokratischen und rechtsstaatlichen Prinzipien zu regulieren, ohne in autoritäre und etatistisch fixierte Reaktionsmuster zu verfallen“, skizziert der Autor die Ausgangslage. Im Zuge dessen sei der Rechtsstaat modernisiert worden und es habe sich ein „in der Praxis erprobter Verfassungspatriotismus“ (11) entwickelt. Die Studie ist chronologisch aufgebaut, die Darstellung der Ereignisse rankt sich um elf Einzel- und einige Kollektivakteure. Scheiper schildert die geistig-politischen Auseinandersetzungen und Entscheidungsfindungen um das Konzept der Inneren Sicherheit, ohne jedoch systematisierende Fragestellungen zu entwickeln. Indem er zeigen möchte, „dass es durchaus mehrere Perspektiven gibt“ unter denen das Phänomen Terrorismusbekämpfung betrachtet werden kann, und sich „diese Perspektiven in einer pluralistischen Gesellschaft wie die beleuchteten Prozesse selbst auch immer ineinander greifen und sich gegenseitig bedingen“ (47), erweist sich die Arbeit als fast schon zu komplex und wenig stringent. Scheiper gelangt am Ende sogar zu der Überzeugung, dass der Primat der Inneren Sicherheit zulasten des Sozialstaates ging und erst Raum für die neoliberale Wende bot.
Anke Rösener (AR)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.313 | 2.343 | 2.37 Empfohlene Zitierweise: Anke Rösener, Rezension zu: Stephan Scheiper: Innere Sicherheit. Paderborn u. a.: 2010, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/32989-innere-sicherheit_39405, veröffentlicht am 11.01.2011. Buch-Nr.: 39405 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken