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Hans-Peter Schwarz

Helmut Kohl. Eine politische Biographie

München: Deutsche Verlags-Anstalt 2012; 1.052 S.; 2. Aufl.; geb., 34,99 €; ISBN 978-3-421-04458-7
Dreißig Jahre nach der Wahl Helmut Kohls zum Bundeskanzler legt Hans-Peter Schwarz eine umfangreiche politische Biografie mit Quellenanhang vor. Schwarz, der auch zu den Adenauer-Biografen zählt, beschreibt Kohls Werdegang, seinen Aufstieg vom Provinz- zum Bundespolitiker: Er sei zuerst ein „mittelmäßiger Kanzler“ (307) gewesen, habe dann mit der Einheit seinen Platz in den Geschichtsbüchern gefunden, anschließend weiter an der Einigung Europas mitgewirkt und am Ende mit der Spendenaffäre seine politische Karriere ein wenig unrühmlich beendet. Jedes Kapitel schließt Schwarz mit einem Resümee ab, in dem er darüber reflektiert, welche Handlungen Kohls voraussichtlich bleibende Spuren hinterlassen werden. Eine Annäherung an diese Monumentalfigur der deutschen Nachkriegsgeschichte ist nicht einfach, zumal der Altkanzler mit den eigenen mehrbändigen Erinnerungen versucht hat, sein eigenes Geschichtsbild zu prägen. Schwarz ist es aber gelungen, etliche bislang unerschlossene Quellen heranzuziehen wie beispielsweise Sitzungs- und Gesprächsprotokolle verschiedenster Provenienz oder die Tagebücher von Walther Leisler Kiep und Kurt Biedenkopf. Darüber hinaus hat er etliche Zeitzeugengespräche mit Weggefährten Kohls geführt. Die Gesamtdarstellung reichert er um manch intuitive, aber überaus plausible Deutung an. Schwarz arbeitet heraus, dass Helmut Kohl die Welt aus zwei Perspektiven heraus gedeutet hat: Die erste ist die Pfalz, in der die wechselvolle europäische und deutsche Geschichte über Jahrhunderte hinweg ihre bauhistorischen, kulturellen oder politischen Spuren hinterlassen hat und wo Kohls politische Laufbahn begann. Dort fand er nicht nur sämtliche Bausteine für sein Geschichtsverständnis vor, sondern, so Schwarz, erlernte das Kumpelhafte, Einnehmende und Gesellige – Eigenschaften, die seinen Politikstil später prägten. Die zweite Perspektive ergibt sich aus der politischen Entwicklung der 1960er-Jahre. In dieser Zeit erfuhr der junge Kohl vieles über politische Intrigen, persönliche Beziehungen, Bildung von Netzwerken und nicht zuletzt die politische Reaktion auf gesellschaftliche Umbrüche. Aus einer vergleichsweise sicheren Distanz und doch zugleich hinreichenden Nähe beobachtete er Adenauers, Erhards und auch Kiesingers Sturz. Diese Erfahrungen stellten die Referenz für sein weiteres parteipolitisches Handeln dar. Diese Biografie weist sprachliche Brillanz und analytische Klarheit auf, die man von Hans-Peter Schwarz gewohnt ist. Die grundsätzliche Sympathie des Autors für Kohls Politik, die im Buch deutlich wird, mildert den Lesegenuss ebenso wenig wie die kleineren Fehler bei einigen eher nebensächlichen Details (wenn etwa dem Saarland eine CDU/FDP-Koalition zum Zeitpunkt der CDU-Minderheitsregierung zugeschrieben wird). Einige Darstellungen oder Wertungen sind allerdings ein wenig redundant.
Stephan Klecha (SKL)
Dr., wiss. Mitarbeiter, Institut für Demokratieforschung der Universität Göttingen.
Rubrizierung: 2.3 | 2.313 | 2.315 | 2.331 | 3.1 Empfohlene Zitierweise: Stephan Klecha, Rezension zu: Hans-Peter Schwarz: Helmut Kohl. München: 2012, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/35676-helmut-kohl_43077, veröffentlicht am 06.12.2012. Buch-Nr.: 43077 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken