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Hildegard Hamm-Brücher

Freiheit ist mehr als ein Wort. Eine Lebensbilanz 1921 - 1966

Köln: Kiepenheuer & Witsch 1996; 594 S.; 49,80 DM; ISBN 3-462-02530-9
Hildegard Hamm-Brücher hat nach 75 Lebensjahren und fast fünfzig Jahren in der Politik eine "Lebensbilanz" vorgelegt. Ihr Buch gliedert sich in zwei Teile, einen ersten chronologisch-biographischen und einen zweiten politisch-thematischen, die aber vielfach aufeinander bezogen sind. Ersterer umfaßt sowohl ihre (bekanntere) politische Karriere wie auch ihre (weniger bekannte) Kindheit und Jugend. Zweiterer beinhaltet u. a. Reflexionen über Frauenbewegung und Emanzipation, (frühe) Stationen der politischen Entwicklung Deutschlands und vor allem "Auftrag und Versagen des politischen Liberalismus" (536-558). Die Autorin (eine Halbjüdin, geboren 1921) erfährt und verinnerlicht durch ihre Sozialisation als Kind, Jugendliche und junge Erwachsene während der Nazi-Diktatur die Bedeutung des Wortes "Freiheit", das für sie ein Leben lang bestimmend wird und sie letzten Endes veranlaßt, Politikerin zu werden. So offen und differenziert wie Hamm-Brücher mit dem Verhalten vieler Mitbürger während, aber besonders nach der Nazi-Zeit abrechnet (Verdrängung und fehlende Aufarbeitung), geht sie auch mit der Entwicklung des organisierten Liberalismus in Deutschland um: Sie erklärt, was Liberalismus für sie - im Gegensatz zu manchen anderen Menschen - heißt, warum sie sich dafür einsetzt und trotz aller Hindernisse und besonders Auseinandersetzungen dabeiblieb. Dieses Buch beschreibt das Leben einer Frau, die entschlossen war (und vermutlich noch immer ist), sich für ihre Überzeugung politisch konsequent einzusetzen und die trotz bzw. mit ihrer verbindlichen Art in der Sache hart blieb. Analog zu den politisch-parlamentarischen Schwerpunkten der Autorin geht es u. a. um Bildungs- und Kulturpolitik der Bundesrepublik, um Fragen der Parlamentsreform sowie um Bürgergesellschaft und Demokratiemündigkeit. Hier liegt sowohl ein Stück Geschichte und Parteigeschichte der Bundesrepublik Deutschland wie auch ein persönlicher Erfahrungsbericht vor, bei dem ganz persönliche Überlegungen und Zweifel nicht zu kurz kommen: In einer Zeit, als es noch ziemlich verpönt war, Mutterpflichten und Berufstätigkeit miteinander zu verbinden, pendelte Hamm-Brücher zwischen Wohn- (München) und Arbeitsort (Wiesbaden) und ließ ihre beiden schulpflichtigen Kinder während der Woche in der Obhut des Vaters und einer Hausangestellten - dies nicht ohne Gewissensbisse. Von einigen wenigen Kritikpunkten abgesehen (so hätten die Ausführungen über die historische Frauenbewegung gestrafft werden können), handelt es sich um eine Biographie, die so spannend ist wie ein Krimi und dabei äußerst lehrreich.
Petra Beckmann-Schulz (Bm)
Dr., Politikwissenschaftlerin.
Rubrizierung: 2.3 | 2.313 Empfohlene Zitierweise: Petra Beckmann-Schulz, Rezension zu: Hildegard Hamm-Brücher: Freiheit ist mehr als ein Wort. Köln: 1996, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/1094-freiheit-ist-mehr-als-ein-wort_1066, veröffentlicht am 01.01.2006. Buch-Nr.: 1066 Rezension drucken