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Dieter Segert

Das 41. Jahr. Eine andere Geschichte der DDR

Wien/Köln/Graz: Böhlau Verlag 2008; 284 S.; geb., 24,90 €; ISBN 978-3-205-78154-7
Die Ostdeutschen hätten über Wende und Wiedervereinigung hinweg zwar „ihre Sparguthaben aus sozialistischer Zeit bewahren können. Allerdings geschah das um den Verlust der Freiheit, für die eigene Zukunft verantwortlich zu sein“ (277). Mit dieser Feststellung entblößt sich Segert vollends als Ewiggestriger, der seinen vermeintlich verpassten Chancen nachtrauert. Segert, der mittlerweile als Politikwissenschaftler mit Osteuropaschwerpunkt in Wien lehrt, gehörte in der DDR nach eigener Beschreibung zur „Dienstklasse“ (14) – also der sozialen Gruppe, die maßgeblich die Diktatur trug. Segert hat es sich zur Aufgabe gemacht, eine Gruppenbiografie einschließlich der eigenen Person zu schreiben, zentrales Thema sind die Reformversuche von SED-Mitgliedern zu einem Zeitpunkt, als dieser Mut nichts mehr kostete. Segert gesteht diese Mutlosigkeit immerhin ein, versucht aber zu rechtfertigen, dass er (der im Herbst 1988 noch ehrenamtlicher Parteisekretär an der Sektion Philosophie der HU Berlin geworden war) sich in der Zeit der Wende für eine Reform des Realsozialismus einsetzte – aus der PDS trat er erst aus, als selbst diese nicht mehr für die Eigenstaatlichkeit der DDR einstehen wollte. Die IM-Tätigkeit von damaligen Kollegen und Mitstreitern betrachtet Segert offensichtlich immer noch als Kavaliersdelikt und beklagt die personellen „Säuberungsbemühungen“ (197) 1990 an seiner Universität. Insgesamt ist das Buch eine verschenkte Gelegenheit und bietet keinesfalls, wie im Untertitel angekündigt, eine andere Geschichte der DDR. Der Blick auf die „Dienstklasse“ könnte zwar aufschlussreich sein, wollte man das Funktionieren der Diktatur klären. Dann müsste diese aber als solche benannt werden. Es reicht auch nicht, irgendwo verstreut im Text zu erwähnen, dass man sich zur Beförderung der eigenen beruflichen Karriere von der SED vor den Karren hat spannen lassen. Segert hätte besser nicht versucht, eine wissenschaftlich gefärbte Darstellungsweise mit eigenen Erinnerungen zu vermischen – die daraus resultierende Distanzlosigkeit hat dem Text nicht gutgetan.
Natalie Wohlleben (NW)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.314 | 2.315 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Dieter Segert: Das 41. Jahr. Wien/Köln/Graz: 2008, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/29412-das-41-jahr_34801, veröffentlicht am 20.01.2009. Buch-Nr.: 34801 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken