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Iskandar El Cheikh

Zwischen Politik und militärischem Kampf. Die Hizbollah im Libanon

Marburg: Tectum Verlag 2010; 301 S.; pb., 29,90 €; ISBN 978-3-8288-2273-3
Die Transformationsprozesse ehemaliger Bürgerkriegsakteure sind nach wie vor zu wenig erforscht. Während die Hizbollah, die im libanesischen Bürgerkrieg als islamistische Widerstandsbewegung gegen Israel gegründet wurde, in den westlichen Medien eindimensional als militante Gruppe dargestellt wird, nehmen die Bevölkerungen in vielen arabischen Staaten sie als Befreiungsbewegung wahr. Ihre mittlerweile hohe Einbindung in das politische System des Libanons bleibt in beiden Interpretationen unbeachtet. Diese Lücke schließt El Cheikh, indem er die Entwicklung der schiitischen Gruppierung vom Ende des libanesischen Bürgerkriegs 1990 bis 2008 analysiert und fragt, inwiefern dieser substaatliche Gewaltakteur einem Wandlungsprozess zu einem zivilpolitischen Akteur unterlegen war. Dazu werden zunächst die Faktoren herausgestellt, welche die Entstehung der Hizbollah in den 80er-Jahren begünstigten. Den Hauptteil der Arbeit bildet die Darstellung des Transformationsprozesses in den 90er-Jahren, in denen sich die Hizbollah in die Politik integrierte und neu ausrichtete. Schließlich werden die Grenzen dieses Prozesses aufgezeigt, wie sie sich z. B. im März 2008 zeigten, als die Gruppierung gewaltsam West-Beirut unter ihre Kontrolle brachte und der innerlibanesische Konflikt erneut offen auszubrechen drohte. Dem Autor gelingt eine fundierte Studie, in der er die Widersprüchlichkeiten der Organisation anschaulich darstellt und zeigt, dass der Transformationsprozess eines ehemaligen Bürgerkriegsakteurs alles andere als linear ist. So beweist die Hizbollah einerseits ein hohes Maß an Pragmatismus, indem sie im ursprünglich abgelehnten politischen System des Landes mitarbeitet, sich an Regierungen beteiligt und die Errichtung einer islamischen Ordnung zurückstellt. Andererseits kam es zu keiner wirklichen Abkehr ihrer Gewaltideologie und sie unterhält nach wie vor Strukturen, die das Sicherheits- und Gewaltmonopol des Staates infrage stellen. Der Autor konstatiert letztendlich, dass ihr politisches Handeln lediglich dazu dient, ihre militärische Rolle und ihre Selbstdarstellung als notwendiger nationaler Widerstand zu legitimieren.
Christian Haas (CHA)
M. A., Politikwissenschaftler.
Rubrizierung: 2.63 | 4.41 | 2.25 Empfohlene Zitierweise: Christian Haas, Rezension zu: Iskandar El Cheikh: Zwischen Politik und militärischem Kampf. Marburg: 2010, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/32966-zwischen-politik-und-militaerischem-kampf_39381, veröffentlicht am 25.10.2010. Buch-Nr.: 39381 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken