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Michael Brie / Frigga Haug (Hrsg.)

Zwischen Klassenstaat und Selbstbefreiung. Zum Staatsverständnis von Rosa Luxemburg

Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft 2011 (Staatsverständnisse 43); 242 S.; 29,- €; ISBN 978-3-8329-4148-2
Rosa Luxemburg hat zwar nie eine Staatstheorie im eigentlichen Sinne entwickelt, ihre ausführlichen Auseinandersetzungen mit den Klassenkämpfen und der Entwicklung der Sozialdemokratie zu einer Zeit, in der sich die staatlichen Institutionen in Deutschland in einer radikalen Umbauphase befanden, lassen ihre Schriften aber vielleicht noch fruchtbarer für ein theoretisches Denken über den heutigen Staat erscheinen als so manches in sich geschlossene Theoriegebilde. Luxemburg war bekanntermaßen überzeugte Sozialistin, grenzte sich jedoch scharf von der im Rahmen der russischen Revolution eingeführten Stellvertreterpolitik der Bolschewiki ab. Jegliche Form von autoritärer Führung und Diktatur durch eine Minderheit war ihr zutiefst zuwider und vertrug sich nicht mit ihrer Vision einer harmonischen und ausbeutungsfreien Gesellschaft, die sich unter breiter Mitwirkung der proletarischen Bevölkerung weitestgehend selbst reguliert (Beitrag von Luban, vgl. auch den Beitrag von Brangsch zu Luxemburgs Politikverständnis). Vor diesem Hintergrund reflektierte Luxemburg kontinuierlich die Strategien unterschiedlichster gesellschaftlicher Akteure, wobei ihr Hauptaugenmerk vor allem auf den Gewerkschaften und ihrer betrieblichen sowie politischen Rolle (siehe vor allem den Beitrag von Röttger) sowie der Sozialdemokratie lag, wobei sie unter anderem ausführlich auch die erste Regierungsbeteiligung eines Sozialisten in einer bürgerlichen Regierung (im Falle des Franzosen Millerand) diskutierte (Beitrag von Michael Brie). Weitere Beiträge des Bandes setzen sich vor einem stärker theoretischen Hintergrund mit den Schriften Luxemburgs auseinander und fragen nach deren Anschlussfähigkeit für eine kritische Staatstheorie. Michael Krätke diskutiert das Verhältnis von Ökonomie und Politik beziehungsweise Kapitalismus und Demokratie in Luxemburgs Werken, während Frigga Haug die Entwicklungslinie hin zu den Schriften Gramscis und deren späterer staatstheoretischer Diskussion aufzeigt. Wie in den meisten Bänden aus dieser Reihe wird auch hier der Bogen zwischen Einführung einerseits und neueren Forschungsergebnissen andererseits gut gemeistert. Er eignet sich somit sowohl für Studierende als auch für Experten.
Björn Wagner (BW)
Dipl.-Politologe, Doktorand und Lehrbeauftragter, Universität Jena.
Rubrizierung: 5.46 | 5.41 | 5.43 | 5.33 Empfohlene Zitierweise: Björn Wagner, Rezension zu: Michael Brie / Frigga Haug (Hrsg.): Zwischen Klassenstaat und Selbstbefreiung. Baden-Baden: 2011, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/34767-zwischen-klassenstaat-und-selbstbefreiung_41793, veröffentlicht am 21.06.2012. Buch-Nr.: 41793 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken