Wertordnung und Verfassung. Das Grundgesetz im Kontext grenzüberschreitender Konstitutionalisierung
Rechtswiss. Habilitationsschrift Bonn. – Das Bundesverfassungsgericht hat spätestens mit der „Lüth-Entscheidung“ zu Beginn der 50er-Jahre gegen eine klassisch-liberale Tradition den – auch international erfolgreichen – Weg einer „Wertordnungsjudikatur“ beschritten, die jedoch bis heute auf „‚einem höchst unsicheren dogmatischen Fundament ruht’“. Rensmann schließt diese Lücke und erschließt den „grenzüberschreitenden Kontext“ als „‚Rationalitätsreserve’“ (2). Die These der Arbeit lautet daher, „daß das Grundgesetz und die Wertordnungsjudikatur [...] von Anfang an in den Kontext des nach dem Zweiten Weltkrieg aufkeimenden transnationalen Menschenrechtskonstitutionalismus eingebunden waren und daher nur aus diesem Zusammenhang vollständig verstanden werden können“ (2). Das ist nicht nur juristisch von Interesse, um etwa das (Miss-)Verhältnis von BVerfG – EuGH – EGMR aus dogmatischer Sicht einer Klärung zuzuführen. Auch ließe sich mit einer solchen „Rationalitätsreserve“ internationaler Menschenrechtsstandards nationalen „Sonderwegen“ (Stichwort: „Folterdebatte“ in der deutschen Staatsrechtslehre) vorbeugen. Rensmann rekonstruiert darüber hinaus die rechtspolitisch höchst wirkmächtigen Figuren in der Rechtsprechung des BVerfG einschließlich ihrer weit in den Bereich des Gesetzgebers ausgreifenden „Hypertrophien“ (4). In vergleichender Perspektive zum stärker klassisch-liberal ausgerichteten Modell des US-Supreme Courts – vor allem aber zur „Kelsen-Tradition“ des Österreichischen Verfassungsgerichtshofs – ergibt sich so mit Blick auf das Verhältnis von Parlament und Gericht die berechtigte Kritik, ob „nicht auch in Deutschland [...] größeres Vertrauen in die Legitimationskraft des demokratischen Prozesses gesetzt werden könnte“ (411).