Skip to main content
Thomas Sauer / Peter Wahl (Hrsg.)

Welche Zukunft hat die EU? Eine Kontroverse. Reader des Wissenschaftlichen Beirats von Attac

Hamburg: VSA 2013; 189 S.; 16,80 €; ISBN 978-3-89965-575-9
Mit diesem Sammelband möchte der Wissenschaftliche Beirat von Attac seine eigenen „Kontroversen“ zu Krise und Zukunft der EU „sichtbar und produktiv“ (7) machen. Die Anlage des Bandes in Form einer abwechselnden Reihung von Pro‑ und Kontra‑Positionen zu einzelnen Aspekten der EU hat dabei grundsätzlich Charme. Da die Mehrzahl der Autor_innen jedoch dem Beirat selber oder anderen eher kapitalismuskritischen Think Tanks oder Lehrstühlen angehört, weist selbst die Mehrzahl der Pro‑Beiträge einen kritischen Grundtenor auf. Trotz manch pointierter Beobachtung und Zuspitzung staunt man doch, dass es auch in diesem politischen Spektrum eigentlich keinen radikalen Gegenentwurf zur EU gibt. In vielen Beiträgen bricht sich zwar – verschiedentlich durchaus berechtigt – scharfe Neoliberalismus‑Kritik Bahn, allerdings verbleiben die Analysen nicht selten im Stadium von Zustandsbeschreibungen des europäischen Status quo, die durch eine gewisse Resignation und Ratlosigkeit geprägt werden. So beklagt zum Beispiel Peter Sauer zwar einen „neoliberalen Supranationalismus“, dessen „Autopilot“ (18) nicht zuletzt aufgrund der Dominanz Deutschlands auf Alternativlosigkeit programmiert sei. Gleichzeitig stellt er fest, dass man realistisch erkennen müsse, „dass es sich derzeit“ bei dem Konzept der sozialen und solidarischen EU „nur um eine Vision ohne Eingriffsfähigkeit in das herrschende Krisenmanagement“ (22) handele. Auch Elmar Altvater bezeichnet einen möglichen Euro‑Austritt einzelner Mitgliedstaaten als „das größere Übel“ (61) und teilt zumindest in diesem Punkt die regierungsamtliche Position der Bundeskanzlerin. Gleichwohl gehen seine Lösungsvorschläge in eine gänzlich andere Richtung, wenn er – mit Verweis auf Aristoteles und die Gefahr einer Spaltung Europas – einen umfassenden Schuldenschnitt für die Krisenstaaten sowie eine solidarische Transferunion fordert, die auch mit „Umverteilung im europäischen Währungsraum“ (63) einhergehen müsse. Friederike Spiecker beleuchtet die Fehlannahmen des monetaristischen Ansatzes, der nach wie vor das EU‑Krisenmanagement bestimme. So könnten die hohe Wettbewerbsfähigkeit einzelner Staaten und ihr entsprechender Erfolg im internationalen Wettbewerb nicht als Messlatte für die Krisenstaaten herhalten. Denn die „Vorstellung, dass Staaten genau wie Unternehmen miteinander in Konkurrenz stünden, ist an sich schon fehl am Platz, weil Staaten mitsamt ihren Bürgern nicht wie Unternehmen einfach friedlich von der Bildfläche verschwinden“ (69). Am Ende der Lektüre ist Peter Wahl zuzustimmen, der – überzeugend begründet – feststellt, dass es der Linken in der Euro‑Krise nicht gelungen sei, „die diskursive Hegemonie des neoliberalen Blocks auch nur anzukratzen“ (177).
Henrik Scheller (HS)
Dr. phil., Dipl.-Politologe, wiss. Mitarbeiter, Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät, Lehrstuhl Politik und Regieren in Deutschland und Europa, Universität Potsdam.
Rubrizierung: 3.13.5 Empfohlene Zitierweise: Henrik Scheller, Rezension zu: Thomas Sauer / Peter Wahl (Hrsg.): Welche Zukunft hat die EU? Hamburg: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/37075-welche-zukunft-hat-die-eu_44509, veröffentlicht am 15.05.2014. Buch-Nr.: 44509 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken