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Hans Schumacher

Wechselhafter Halbmond. Die Arbeit der Friedrich-Ebert-Stiftung in der Türkei

Bonn: Verlag J. H. W. Dietz Nachfolger 2012 (Geschichte der internationalen Arbeit der Friedrich-Ebert-Stiftung 8); 277 S.; 24,- €; ISBN 978-3-8012-0428-0
Auch wenn das Buch aus der Perspektive der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) geschrieben ist, liest es sich wie eine Entwicklungsgeschichte der Türkei seit Mitte der 1970er-Jahre – dem Beginn der Arbeit der FES in dem Land. Zahlreiche zentrale Themen werden, häufig in Exkursen, angesprochen. Dazu zählen das Verhältnis von Staat und Religion sowie von Menschenrechten und Demokratie, die Zypern- und die Kurdenfrage, die Beziehungen zu Europa und die Stellung der Frauen. Zugleich werden die vielfachen und mitunter widersprüchlichen Wendungen im Parteienspektrum, im Justizsystem, in der Wirtschafts- und Sozialpolitik sowie in den Gewerkschaften dokumentiert. Hans Schumacher webt in die Erzählung der gesellschaftspolitischen Entwicklungen immer wieder die Rolle und die verschiedenen Probleme der FES in der Türkei ein, die zwei Büros in Ankara und Istanbul unterhält. Als erschwerend für die Arbeit der Stiftung wertet er beispielsweise die Zusammenarbeit mit der Republikanischen Volkspartei CHP, die zwar Mitglied der Sozialistischen Internationale ist, aber weder innerparteiliche Demokratie verwirklicht noch konsequent sozialdemokratische Positionen vertritt. Schwierigkeiten sieht der Autor auch im Verhältnis zum türkischen Gewerkschaftsverband, der traditionell schwach ist und Anti-EU-Positionen einnimmt. Dass die politische Arbeit der FES außerdem vielfach von Misstrauen seitens der türkischen politischen Klasse begleitet wurde, beweist der Prozess vor einem Staatssicherheitsgericht gegen die deutschen politischen Stiftungen 2002, in dem ihnen u. a. Spionage vorgeworfen wurde. Schumacher beschreibt ausführlich diesen Prozess, der in den Massenmedien mit zahlreichen antideutschen und antieuropäischen Ressentiments begleitet wurde. Dabei ist er der Meinung, dass die deutschen Stiftungen als Opfer für die politischen und gesellschaftlichen Reformen auf dem Weg in die EU herhalten mussten. Letztlich wurden die deutschen Stiftungen freigesprochen, zahlreiche Verunglimpfungen durch die rechten Medien dauerten jedoch noch lange fort. Erst in den vergangenen Jahren verbesserte sich die Situation. Insgesamt gelingt es dem Autor, einen interessanten Einblick in die gesellschaftspolitischen Prozesse der Türkei zu vermitteln.
Sabine Steppat (STE)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 4.44 | 2.331 | 2.63 | 2.27 | 4.21 | 4.22 | 2.21 | 2.22 Empfohlene Zitierweise: Sabine Steppat, Rezension zu: Hans Schumacher: Wechselhafter Halbmond. Bonn: 2012, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/21965-wechselhafter-halbmond_42724, veröffentlicht am 24.01.2013. Buch-Nr.: 42724 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken