
Wahlsysteme, Parteiensysteme und politische Repräsentation in Osteuropa
Diss. Frankfurt (Oder). – Tiemann beschäftigt sich mit grundlegenden Fragen der Transformationsforschung und vergleichenden Regierungslehre aus dem Blickwinkel einer institutionenorientierten Fragestellung. Dabei untersucht er vor allem die politischen Konsequenzen von Wahlsystemen und die Robustheit institutioneller Effekte im Kontext des osteuropäischen Systemwechsels über unterschiedliche kulturelle und soziopolitische Kontexte hinweg. Motiviert wird die Analyse durch die Annahme, dass institutionelle Optionen, im Gegensatz zu politischer Kultur, gesellschaftlichen Konfliktlinien oder ökonomischen Rahmendaten, einer bewussten, kurzfristigen Gestaltung und Manipulation zugänglich sind. Analysiert werden demnach die Effekte von Wahlsystemen auf das Format des Parteiensystems und auf die Qualität der politischen Repräsentation. Um dies empirisch wie theoretisch tragfähig zu machen, erarbeitet Tiemann zunächst sechs Problemkomplexe (wie z. B. die effektive Reichweite und die Funktionsbedingungen von politischen Institutionen) und untermauert die Analyse derer durch so genannte Vergleichs- und Kontrollgruppen („alte“ und „junge“ Demokratien). In seiner Fallauswahl beschränkt er sich auf die europäischen postsozialistischen Transformationsstaaten inklusive Russland. Nach einer sehr ausführlichen und theoretisch wie empirisch sehr gut unterfütterten Analyse kommt Tiemann zu dem Schluss, dass Wahlsysteme vor allem in Transformationskontexten sowohl eine profunde Wirkung auf die Fragmentierung von Parteiensystemen als auch für die Qualität der politischen Repräsentation haben. Die Abwesenheit von institutionellen Strukturen entzieht, so eines der vielen Fazite des Autors, den politischen Akteuren die notwendigen Informationsressourcen für die strategische Adaption an die institutionellen Anreize des Wahlsystems und lässt somit die Entwicklungsdefizite der jungen und teilweise defekten Demokratien hervortreten.