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Andreas Fischer-Lescano / Ulrich Preis / Daniel Ulber

Verfassungsmäßigkeit des Mindestlohns

Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft 2015 (Schriften der Hans-Böckler-Stiftung 79); 219 S.; brosch., 49,- €; ISBN 978-3-8487-2135-1
Wohl kaum ein Thema ist in der jüngeren politischen Vergangenheit in Deutschland so kontrovers diskutiert worden wie das des Mindestlohns. Von seinen Gegnern als Jobkiller diffamiert, haben Befürworter stets auf das immer stärkere Auseinanderdriften von Arm und Reich hingewiesen – und auf die Notwendigkeit, der dadurch beförderten Erosion des sozialen Zusammenhalts entgegenzuwirken. In diesem Band erfolgt – nachdem sich gezeigt hat, dass Mindestlöhne in Höhe von 8,50 Euro pro Arbeitsstunde keineswegs massenhaft Beschäftigungsverhältnisse zerstört haben – eine retrospektive rechtliche Bewertung des Mindestlohngesetzes (MiLoG), das am 11. August 2014 vom Deutschen Bundestag verabschiedet wurde. Dokumentiert sind zwei Rechtsgutachten zum MiLoG – eines von Andreas Fischer‑Lescano sowie eines von Ulrich Preis und Daniel Ulber; beide wurden in der Frühphase des Gesetzgebungsprozesses im Auftrag der Hans‑Böckler‑Stiftung erstellt. Fischer‑Lescanos Gutachten basiert auf einer verfassungs‑, völker‑ und europarechtlichen Analyse des Mindestlohns. Der Autor diskutiert dabei insbesondere die Frage, inwieweit Ausnahmen für gewisse Statusgruppen – etwa Studierende oder Rentner_innen – gerechtfertigt sein könnten. Der Tenor seines Gutachtens stützt dabei die Einschätzung, dass die Einführung eines allgemeinen Mindestlohns nicht die Verfassungsgarantie der Berufsfreiheit unterlaufe. Zudem trage er klar erkennbar „zum Schutz menschenwürdiger Arbeitsbedingungen“ (57) bei. Ausnahmen beim Mindestlohn sollten, so Fischer‑Lescano, gering gehalten werden. Sie seien etwa dann angezeigt, wenn es sich um die Vergütung von Pflichtpraktika, Ausbildungsverhältnissen oder um ehrenamtliche Tätigkeiten handele. Für andere, auf eine Erwerbsarbeit angewiesene Personengruppen seien Ausnahmen weder verfassungsrechtlich noch durch internationales Recht gedeckt. Preis und Ulber fokussieren in ihrer gutachterlichen Stellungnahme den deutschen verfassungs‑ und tarifrechtlichen Kontext und nehmen insbesondere die – auf eine Intervention Udo Di Fabios zurückreichende – Problematik auf, wonach ein Mindestlohn für Zeitungsboten mit der Pressefreiheit konfligiere. Der allgemeine gesetzliche Mindestlohn, so ihr Fazit, sei „von seiner Grundkonzeption und Begründung her ausnahmefeindlich“ (181). Denn großflächige Ausnahmen drohten das politische Ziel der Sicherung der Sozialsysteme sowie der Unterbindung von Dumpinglöhnen und entsprechender wettbewerblicher Verzerrungen zu unterminieren.
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Rubrizierung: 2.3422.3 Empfohlene Zitierweise: Matthias Lemke, Rezension zu: Andreas Fischer-Lescano / Ulrich Preis / Daniel Ulber: Verfassungsmäßigkeit des Mindestlohns Baden-Baden: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/39601-verfassungsmaessigkeit-des-mindestlohns_47991, veröffentlicht am 14.04.2016. Buch-Nr.: 47991 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken