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Silke Satjukow / Rainer Gries (Hrsg.)

Unsere Feinde. Konstruktionen des Anderen im Sozialismus

Leipzig: Leipziger Universitätsverlag 2004; 557 S.; hardc., 44,- €; ISBN 3-937209-80-8
Muskulöse Arbeiter mit entschlossenen Gesichtern, dicke Kapitalisten mit Zigarren, Adenauer als Hitler – die politischen Plakate sprachen eine deutliche Sprache. Aber die in der DDR gedruckten Propagandaposter übernahmen ihre Bildsprache nicht nur von den sowjetischen Vorbildern. Bei der Darstellung der Feinde wurde auch auf antisemitische Stereotype zurückgegriffen, die dem Publikum (nicht erst) seit der NS-Zeit bekannt waren. Die „Hochzeit einer kompromisslosen Feindbildkonstruktion“ (48) bis Ende der Fünfzigerjahre, die im Mittelpunkt der Beiträge steht, erscheint allerdings bei näherer Betrachtung trotz (oder wegen) der verkündeten Entschlossenheit auch als eine Zeit der Unsicherheit der Machteliten. Die junge Bundesrepublik „war die Projektionsfläche und Kontrastfolie, auf welcher das Selbstbild der DDR entwickelt wurde“ (76), schreibt die Jenaer Historikerin Monika Gibas. Entsprechend wurden Wiederbewaffnung und Marktwirtschaft als Fortsetzung des Nationalsozialismus gegeißelt, der Sozialismus als die einzig gerechte Alternative dargestellt. „In diese Erzählung einer kollektiven Erlösung vom Bösen suchten die politischen Machthaber ihre Beherrschten einzubinden“ (49), so die Herausgeber. Die politische Propaganda der DDR war damit keineswegs untypisch, wie die Beiträge über andere osteuropäische Länder zeigen. Die Aufsätze umfassen insgesamt die Zeit der frühen Sowjetunion, des Zweiten Weltkriegs und die der „Installation einer globalen polaren Nachkriegsordnung mitsamt dem Aufbau des sozialistischen Staatensystems“ (48). Neben dem Schwerpunktthema DDR werden Feindbilder in der Sowjetunion, in Polen, Ungarn und Albanien vorgestellt. Die Beiträge können insgesamt durchaus nicht nur als historische Betrachtung verstanden werden, sondern auch als Anstoß für eine kritische Überprüfung der Gegenwart. Denn „auch die aktuellen Konflikte des 21. Jahrhunderts werden von einer Schwungmasse solcher zu Feindbildern mutierter Stereotype begleitet“ (78), schreibt Gibas. Auch wenn sie auf den ersten Blick nicht mehr als plakativ wie vor 50 Jahren daherkommen. Aus dem Inhalt: Theoretische Annäherungen Silke Satjukow / Rainer Gries: Feindbilder des Sozialismus. Eine theoretische Einführung (13-74) Feindbilder in der DDR Monika Gibas: „Bonner Ultras“, „Kriegstreiber“ und „Schlotbarone“. Die Bundesrepublik als Feindbild der DDR in den fünfziger Jahren (75-106) Thomas Haury: Von ‚den Finanzkapitalisten’ zu ‚den Zionisten’ – das „werktätige Volk“ und seine Feinde. Spezifika des Wechselspiels von kommunistischem Selbst- und Feindbild in der frühen DDR (107-126) Christoph Classen: Feindbild Faschismus. Zum Doppelcharakter einer Gegnerkategorie in der frühen DDR (127-148) Christian Lotz / Katja Naumann: „Wo steht der Feind?“ Parteipolitische und gesellschaftliche Auseinandersetzungen in der Nachkriegszeit Deutschlands (149-166) Alexei Tikhomirov: „Feinde des Volkes“. Zur (Re-)Konstruktion des inneren Feindes in der stalinistischen Phase der DDR (1949-1953) (167-178) Thomas Ahbe: Der Kleinbürger als Froschkönig. Kleinbürgerstereotype im Offizialdiskurs der DDR (179-196) Thomas Lindenberger: Der Feind tanzt mit. Rockmusik und Jugenddelinquenz in DEFA-Filmen (1957-1963-1968) (197-214) Michael Stolle: Faschistischer Imperialismus und sozialistische Pflichterfüllung. Zur Wahrnehmung der Pinochet-Diktatur in der DDR (215-232) Christian Th. Müller: „Für den Soldaten des Sozialismus ist der Feind immer konkret“. Das Feindbild der Nationalen Volksarmee und die Probleme seiner Implantierung (233-254) Martin Sabrow: Vertrauter Feind, objektiver Gegner, kollegialer Konkurrent. Zum Wandel des Bildes vom ‚Anderen’ in der sozialistischen Legitimationskultur der DDR (255-276) Jörg-Uwe Fischer: Feinde im Orbit. Die Welt des 21. Jahrhunderts im Science Fiction-Film der DDR (277-298)
Natalie Wohlleben (NW)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.24 | 2.314 | 2.62 | 2.23 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Silke Satjukow / Rainer Gries (Hrsg.): Unsere Feinde. Leipzig: 2004, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/21422-unsere-feinde_25005, veröffentlicht am 01.01.2006. Buch-Nr.: 25005 Rezension drucken