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Berenika Szymanski

Theatraler Protest und der Weg Polens zu 1989. Zum Aushandeln von Öffentlichkeit im Jahrzehnt der Solidarność

Bielefeld: transcript 2012 (Transcript Theater 43); 305 S.; 32,80 €; ISBN 978-3-8376-1922-5
Diss. phil. LMU München, Begutachtung: C. Balme. – Die Theaterwissenschaftlerin Szymanski zeigt in ihrer Arbeit, „dass die theatrale Dimension der öffentlichen Protestformen zu den konstitutiven Faktoren des polnischen Umbruchs von 1989 gezählt werden kann“ (259). Basierend auf den Begrifflichkeiten der „Gegenöffentlichkeit“ von Fraser und der „politischen Subjektivierung“ von Rancière analysiert die Autorin, inwiefern die zivilgesellschaftliche Opposition in Polen auf theatral inszenierte Widerstandsformen zurückgegriffen hat, die als „bewusst hervorgehobene Handlungen in Interaktion mit einer Gruppe von Zuschauern“ (29) nach außen oftmals wenig politisch erschienen. Vor dem Hintergrund der kaum mehr zu überblickenden sozialwissenschaftlichen Forschung zu den polnischen Protestbewegungen der 1980er-Jahre stellt sich die Frage, ob eine solche Analyse lediglich aus theaterwissenschaftlicher Sicht von Interesse ist oder auch für die Politikwissenschaft einen Mehrwert bietet. Und Letzteres lässt sich eindeutig konstatieren. Wo die Politikwissenschaft die Phase zwischen dem Verbot der Solidarność Ende 1981 und dem Beginn des Runden Tisches 1988 entweder weitgehend ausspart oder sich auf die Untergrundaktivitäten der Gewerkschaft konzentriert, zeigt die Autorin, dass das Verbot der Gewerkschaft und die damit verbundene massive Einschränkung politischer Aktionen wie Streiks und Demonstrationen die Opposition keinesfalls von der Straße verdrängte. Im Gegenteil wichen die zivilgesellschaftlichen Akteure auf scheinbar unpolitische – eben theatral inszenierte – Widerstandsformen aus. Damit werden zugleich auch andere wesentliche Akteure des polnischen Umbruchs sichtbar gemacht, die in der politikwissenschaftlichen Forschung praktisch keine Rolle spielen, wie etwa die politisch-künstlerische Bewegung „Orange Alternative“. Zudem wird die Verknüpfung zwischen dem explizit politischen Protest auf der einen und den kulturellen, alltäglichen Lebensformen auf der anderen Seite sehr viel deutlicher. In diesem Sinne ist das Buch auch für viele sozialwissenschaftliche Disziplinen jenseits des engen Bereichs der Transformationsforschung sehr empfehlenswert.
Björn Wagner (BW)
Dipl.-Politologe, Doktorand und Lehrbeauftragter, Universität Jena.
Rubrizierung: 2.61 | 2.2 | 2.22 | 2.23 | 2.25 Empfohlene Zitierweise: Björn Wagner, Rezension zu: Berenika Szymanski: Theatraler Protest und der Weg Polens zu 1989. Bielefeld: 2012, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/34941-theatraler-protest-und-der-weg-polens-zu-1989_42016, veröffentlicht am 16.05.2012. Buch-Nr.: 42016 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken