Skip to main content
Jürgen Danyel / Jan-Holger Kirsch / Martin Sabrow (Hrsg.)

50 Klassiker der Zeitgeschichte

Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2007; 247 S.; geb., 19,90 €; ISBN 978-3-525-36024-8
Angesichts zunehmender „Unübersichtlichkeit“ infolge fachwissenschaftlicher Differenzierungen haben „Kanonisierungen“ Konjunktur. Sie liefern schnell übersichtliche Orientierung, solange man sich über die subjektiven Momente der Auswahl bewusst ist. Dies von den Herausgebern vom Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam selbst vorausgesetzt, ist hier ein vorzüglicher „Kanon“ gelungen, der in chronologischer Reihung nicht nur in zentrale Werke der deutschen zeitgeschichtlichen Forschung im Zeitraum von 1945-1989/90 einführt – und zwar in kritischer Weise. Die Zusammenstellung reflektiert insgesamt auch die großen Kontroversen der Zeitgeschichte selbst, insbesondere natürlich die um die Deutung und Einordnung des Nationalsozialismus, angefangen von Fischers „Griff nach der Weltmacht“ über den „Historikerstreit“ der 80er-Jahre bis zur „Wehrmachtsausstellung“ des Hamburger Instituts für Sozialforschung. Aus politikwissenschaftlicher Sicht ergibt sich ein interessanter, zugleich aber ambivalenter Befund: Erfreulicherweise finden sich unter den 50 ausgewählten Büchern eine ganze Reihe, die auch hier – etwa mit Blick auf die NS-Diktatur oder zentrale Abschnitte bundesdeutscher Regierungspolitik – inzwischen zum „Klassiker-Kanon“ gezählt werden: so etwa Fraenkels „Doppelstaat“, Arendts „Elemente und Ursprünge“, Friedrichs/Brezinskis „Totalitarian Dictatorship“ und Brachers „Auflösung der Weimarer Republik“, aber auch Barings „Machtwechsel“ der Ära Brandt/Scheel und die Adenauer-Biographie von Schwarz. Betrachtet man diese Arbeiten, so zeigt sich aber zugleich, wie sehr sich der „Mainstream“ politikwissenschaftlicher Forschung durch theorie- und methodenlastige Profilierungen, ahistorische Policy-Analysen usw. von seinen zeitgeschichtlichen Wurzeln – selbst im Verständnis eines Max Weber – abgeschnitten hat. Überdeutlich wird an einem solchen Kanon darüber hinaus, dass gerade in diesen Fächern Innovation und wissenschaftlicher Mehrwert von der individuellen Forschungsleistung abhängig bleiben.
Robert Chr. van Ooyen (RVO)
Dr., ORR, Hochschullehrer für Staats- und Gesellschaftswissenschaften, Fachhochschule des Bundes Lübeck; Lehrbeauftragter am OSI der FU Berlin sowie am Masterstudiengang "Politik und Verfassung" der TU Dresden.
Rubrizierung: 2.31 | 2.3 Empfohlene Zitierweise: Robert Chr. van Ooyen, Rezension zu: Jürgen Danyel / Jan-Holger Kirsch / Martin Sabrow (Hrsg.): 50 Klassiker der Zeitgeschichte Göttingen: 2007, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/27602-50-klassiker-der-zeitgeschichte_32395, veröffentlicht am 16.08.2007. Buch-Nr.: 32395 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken