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Bernd Hansjürgens / Gertrude Lübbe-Wolff (Hrsg.)

Symbolische Umweltpolitik

Frankfurt a. M.: Suhrkamp 2000 (suhrkamp taschenbuch wissenschaft 1486); 320 S.; kart., 24,90 DM; ISBN 3-518-29086-X
Wenn Umweltverbände, wie etwa beim absehbar wirkungslosen Ozon-Gesetz von Ex-Umweltministerin Merkel oder zuletzt beim rot-grünen Atomausstieg unzufrieden sind, erheben sie gerne einen Vorwurf: Die Regierenden würden keine Probleme lösen, sondern nur simulieren, dass sie etwas tun. Mit dem Phänomen "Symbolische Umweltpolitik" haben sich jetzt auch Umweltwissenschaftler verschiedener Fachrichtungen in diesem Sammelband auseinandergesetzt. "Symbolische Umweltpolitik" wird dabei von den Herausgebern als "Kürzel für politische Inszenierungen mit Bluff-Effekt" (11) bezeichnet, die allerdings nur unter der Voraussetzung funktionierten, dass sie nicht von einer breiteren Öffentlichkeit als solche durchschaut würden. Dem Publikum attestieren die Autoren dabei keine reine Opferrolle. Vielmehr habe es zum Teil am Getäuschtwerden, an der Bestätigung und Förderung seiner Selbsttäuschungen, ein Interesse. Dies erinnert an die aktuelle Ökosteuer-Diskussion. Zwar ärgert sich die Mehrzahl der Deutschen über LKWs, die Autobahnen verstopfen und überproportional zur Lärm- und Emissionsbelastung beitragen. Doch wirkungsvolle Maßnahmen wie die beschlossene kontinuierliche Spritpreisverteuerung werden wiederum abgelehnt. Die Kosten effektiven Handelns werden in solchen Fällen offenbar, wie Steinberg ausführt, als zu hoch eingeschätzt. Das Buch unterscheidet zwischen zwei Formen symbolischer Politik: Zum Problem werde diese, wenn Symbole an die Stelle von Politik treten, etwa wenn ein Umweltminister mit seiner Rheindurchquerung im Schwimmanzug ein in der Realität noch längst nicht erreichtes Wasserqualitätsniveau suggeriert. Notwendig sei das beschriebene Phänomen jedoch dann, wenn Politik mit Symbolen betrieben wird. Für von Prittwitz hingegen ist symbolische Politik "für die Entwicklung und Ausbreitung umweltpolitischer Problemwahrnehmung von überragender Bedeutung" (265). Während etwa die Bodenschutzpolitik unter besonders ungünstigen Symbolisierungsbedingungen leide, könne das Bild einer ölverschmierten Ente eine breite Debatte über Tankerunglücksfälle und ihre Ursachen auslösen. Neben solchen Bildern sieht von Prittwitz folgende Trägermedien symbolischer Politik: Abzeichen wie der Blaue Engel; Farben, vor allem "die motivierende und orientierende Kraft der Symbolfarbe Grün" (267); Zahlenausdrücke wie Alarmstufe 1, 2, und 3 oder aber Jahrestage wie zum Beispiel von der Tschernobyl-Reaktorkatastrophe; Sprachsymbole, etwa konfliktaufladende Begriffe wie "Klimakatastrophe" oder beruhigende Sprachformen wie "Vorsorge"; sowie konkrete Handlungsformen wie die Fahrt mit dem Fahrrad zur Arbeit, die die Notwendigkeit eines entsprechenden Alltagshandels kenntlich machen sollen. So bedienen sich auch jene, die symbolische Politik als ein Grundübel betrachten, bestimmter Zeichen und zeigen, dass Formen politischer Symbolizität wie im vorgelegten Band differenziert analysiert werden sollten. Aus dem Inhalt: Bernd Hansjürgens / Gertrude Lübbe-Wolf: Symbolische Umweltpolitik – Einführung und Überblick (11-24); Rudolf Steinberg: Symbolische Umweltpolitik unter besonderer Berücksichtigung der Beschleunigungsgesetzgebung (63-101); Volker von Prittwitz: Symbolische Umweltpolitik – Erscheinungsformen und Funktionen am Beispiel der Umweltpolitik (259-276).
Danyel T. Reiche (DAR)
Dr., Politikwissenschaftler.
Rubrizierung: 2.341 | 2.261 | 2.35 | 2.23 | 3.5 Empfohlene Zitierweise: Danyel T. Reiche, Rezension zu: Bernd Hansjürgens / Gertrude Lübbe-Wolff (Hrsg.): Symbolische Umweltpolitik Frankfurt a. M.: 2000, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/12012-symbolische-umweltpolitik_14335, veröffentlicht am 01.01.2006. Buch-Nr.: 14335 Rezension drucken