
Südostasien in der Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland. Eine Analyse der deutschen Außenpolitik gegenüber Staaten Südostasiens unter Anwendung des liberalen Handelsstaatsmodells
In dieser theoriegeleiteten Außenpolitikanalyse fragt Marius Labahn, inwieweit das Engagement Deutschlands gegenüber den Staaten Südostasiens den Stellenwert besitzt, der ihm gemäß der Annahmen des liberalen Handelsstaatsmodells zukommen sollte. Diesem Modell zufolge orientiert sich die Außenpolitik eines Staates primär an Handel und Kooperation und weniger an machtpolitischen Interessen. Im Mittelpunkt stehen wirtschaftliche Faktoren, oberstes Ziel sind Wohlfahrtsgewinne für Gruppen und Individuen. Außerdem rücken in dem Modell nichtstaatliche Interessen an anderen Staaten, wie deren Bedeutung als Handelspartner oder deren Marktpotenzial für den deutschen Export, in den Vordergrund. Diese nichtstaatlichen Interessen dienen Labahn als Maßstab für die Beurteilung der staatlichen Außenpolitik gegenüber Südostasien im Zeitraum von 2000 bis 2010. Unter Südostasien versteht der Autor für seine Untersuchung die Mitgliedstaaten der ASEAN. Die empirische Analyse erfolgt in zwei Schritten. Erstens vergleicht er die Außenpolitik Deutschlands gegenüber China, Indien und der ASEAN als Ganzes. Danach wird Indien und China weniger außenpolitisches Engagement entgegengebracht als vermutet und auch die ASEAN erhält „weniger ‚Aufmerksamkeit’ der deutschen Außenpolitik als das Handelsmodell annehmen lässt“ (68). Im zweiten Schritt werden sechs ausgewählte ASEAN‑Staaten (Indonesien, Malaysia, Philippinen, Singapur, Thailand und Vietnam) untereinander verglichen. Auch hier zeigen sich „deutliche Abweichungen der konkreten deutschen Außenpolitik von den Annahmen der nichtstaatlichen Interessen“ (91). Gemessen an ihrer wirtschaftlichen Bedeutung erhalten Indonesien, die Philippinen und insbesondere Vietnam zu viel Beachtung, während im Gegenteil Singapur nur „etwas mehr als die Hälfte des erwarteten Engagements“ (91) zuteil wird. Insofern, so ein Fazit des Autors, kann das Handelsstaatsmodell bei der Erklärung der deutschen Außenpolitik in diesem Fall nicht überzeugen. Zudem deuten die Ergebnisse darauf hin, „dass Deutschland in Südostasien nicht oder nicht ausschließlich handelsstaatliche Maximen verfolgt“ (92).