Skip to main content
Edzard Reuter

Stunde der Heuchler. Wie Manager und Politiker uns zum Narren halten. Eine Polemik

München: Econ 2010; 207 S.; geb., 18,- €; ISBN 978-3-430-20090-5
Der Autor, ehedem Vorstandvorsitzender der Daimler-Benz AG, wirft den Eliten Heuchelei und eine vorgetäuschte Bürgerlichkeit vor. Mit Heuchelei meint Reuter „das Vortäuschen falscher Tatsachen und falscher Gefühle, die scheinheilige Erwartung moralischen Verhaltens bei anderen“ (13). Die Lehren Friedrich August von Hayeks oder Milton Friedmans würden eben beispielsweise nicht den allgemeinen Wohlstand fördern, sondern dies nur behaupten, protestiertet er. Ebenso bekenne sich natürlich jeder Manager zur Gleichberechtigung von Mann und Frau und dennoch seien in den größten deutschen Unternehmen nur 2,5 Prozent der Spitzenpositionen von Frauen besetzt. Es stehe eine breite „Kulturenkrise“ (18) zu befürchten, in der das Zusammenwachsen der Nationen entgegen allen Hoffnungen unter dem Deckmantel der Heuchelei letztlich nur der Gier und persönlichen Bereicherung diene. Insofern polemisiert Reuter namentlich u. a. gegen Hilmar Kopper. Dieser rühme sich im Rahmen seiner Tätigkeit in diversen Aufsichtsräten, die Vergütung deutscher Manager „‚leistungsgerecht’“ (73) gemacht zu haben; der Autor sieht die Bemühungen, die Vergütungen an amerikanische Verhältnisse anzugleichen, hingegen „jenseits aller vernünftigen Größenordnungen“ (72) und kann sie nur mit einem Verlust der Moral erklären. In den Boni und der Orientierung auf kurzfristige Gewinne sieht er mithin auch eines der Grundübel des modernen Managements. Er kritisiert zudem, dass das falsche und naive Menschenbild des homo oeconomicus an den Hochschulen gelehrt werde; positiv kommt einzig die Universität St. Gallen weg, deren Ausbildung „überzeugend in ethische Grundlagen eingebettet ist“ (91). Ansonsten sieht der Autor einen nahezu vollkommenen Mangel an Allgemeinbildung gerade in der sogenannten Elite. Er fordert eine Rückkehr zur Allgemeinbildung, ebenso die Wiederentdeckung eines Verantwortungsgefühls für die Gesellschaft. Letztlich sind es alte Tugenden wie Bescheidenheit, Fleiß oder Selbstlosigkeit, die Reuter mit dieser Polemik einfordert.
Timo Lüth (TIL)
Student, Institut für Politische Wissenschaft, Universität Hamburg.
Rubrizierung: 2.331 | 2.35 Empfohlene Zitierweise: Timo Lüth, Rezension zu: Edzard Reuter: Stunde der Heuchler. München: 2010, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/32840-stunde-der-heuchler_39221, veröffentlicht am 11.01.2011. Buch-Nr.: 39221 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken