Im Vorfeld der Dumawahlen 2003 und der Präsidentenwahlen 2004 ging die Autorin der Frage nach, wie Russlands Politiker auf die NATO und die EU blicken. Die Journalistin, die von 1988 bis 2000 als Korrespondentin in Moskau arbeitete, untersucht die außenpolitischen Programme der Parteien und der Regierung um den Präsidenten Wladimir Putin anhand von Interviews, Fernsehauftritten und Vorträgen. Einige Parteien, zum Beispiel der Überraschungssieger der Dumawahl, die Wahlvereinigung „Heimat", so die Autorin, konnten mit antiwestlichen Parolen punkten. Die Mehrheit der russischen Bevölkerung habe einen ambivalenten Standpunkt gegenüber NATO und EU: Einerseits trauerten die Russen noch immer dem Sowjetimperium nach und seien für neoimperalistisches Gedankengut empfänglich. Andererseits habe sich das russische Volk in den vergangenen Jahren zum Westen geöffnet und sei mehr denn je bereit, antiwestliche Vorurteile zu begraben. Sehr geschickt verstünden es aber die Machthaber im Kreml, die diffusen Gefühle der Russen zu bündeln und zu kanonisieren. So kommt Kerneck zum dem Schluss: „Die Annäherung Russlands an Westeuropa und seine Integration in westeuropäische Strukturen, wie den NATO-Russland-Rat, den Europäischen Gerichtshof, sind für die dort herrschende Elite kein Ziel für sich, sondern ein Mittel, um die eigene Wirtschaft zu stärken und um im internationalen Rahmen konkurrenzfähiger zu werden." (104)