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Bernd Nickolay

Rechtsextremismus im Internet. Ideologisches Publikationselement und Mobilisierungskapital einer rechtsextremen sozialen Bewegung?

Würzburg: Ergon 2000 (Spektrum Politikwissenschaft 14); 405 S.; brosch., 50,11 €; ISBN 3-933563-84-4
Politikwiss. Diss. Augsburg; Gutachter: T. Stammen, P. Guggemos. - Das Internet schafft in der virtuellen Welt keine neue gesellschaftliche Wirklichkeit, sondern bildet sie lediglich ab. Somit steht außer Frage, dass Rechtsextremisten auch im Internet vertreten sind und die neuen Kommunikationsmöglichkeiten zu nutzen wissen. Wie wirksam sind die rechtsextremen Ideologisierungs- und Mobilisierungsbemühungen im Internet? Oder mit den Worten des Autors: "Trägt sie [die inhaltliche und ideologische Struktur rechtsextremer Agitation im Internet sowie die organisatorische Vernetzung der Extremisten] zur ideologischen Verbreitung der rechtsextremen Weltsicht bei und begünstigt sie damit die gesellschaftliche Mobilisierung und Stabilisierung einer rechtsextremen sozialen Bewegung außerhalb des Mediums? Bedroht die Nutzung des Internet durch rechtsextreme Aktivisten damit die politische Konstitution solcher Gesellschaften, die inzwischen durch relativ hohe Online-Repräsentanz ihrer Bürgerinnen und Bürger gekennzeichnet sind?" (19) So lauten die forschungsleitenden Fragen dieser Studie. Die Ergebnisse gehen allerdings über die Präsenz von Rechtsextremismus im Internet hinaus, denn die Arbeit ermöglicht durch Abstraktion auch generelle Aussagen über die Rezeptionskapazität politischer Internetkommunikation. Hier betritt Nickolay Neuland, denn empirisches Wissen über Netzöffentlichkeiten, insbesondere politische, liegen bisher kaum vor - dieser Bereich der Forschung befindet sich, dem Alter des Mediums geschuldet, in einer sehr frühen Entwicklungsphase. Im ersten Teil der Arbeit werden die Grundlagen für die empirische Analyse gelegt. Nickolay setzt sich hier mit dem Rechtsextremismus als wissenschaftlicher Kategorie auseinander und entwickelt seinen Untersuchungsansatz auf der Basis der Einordnung des Rechtsextremismus als potenzielle soziale Bewegung. Der Hauptteil der Arbeit beinhaltet die empirische Untersuchung einer Auswahl des rechtsextremen Internetangebots. Diese erfolgt im Dreischritt: Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Textanalyse des Internetangebots auf der Suche nach den drei zentralen Deutungsmustern moderner rechtsextremer Ideologie: die Verleumdung der liberalen Demokratie, die Mobilisierung gegen Minderheiten und die Apologie der nationalsozialistischen Historie. Der zweite Schritt beinhaltet die Untersuchung der Reaktionen verschiedener Institutionen und Gruppen des sozialen und politischen Umfelds auf die Verbreitung rechtsextremer Propaganda. Im letzten Teil erfolgt dann die Beurteilung der Rezeptionskapazität politischer Internetkommunikation. Nickolay kommt zu einem Doppelschluss: Die Vernetzung des rechtsextremen Lagers im Internet ist außerordentlich hoch, wobei das Medium dabei in erster Linie als Möglichkeit zur Sicherung der Integration und zur Zustimmungsmobilisierung innerhalb des Lagers genutzt wird, also nach innen wirkt. In dieser Hinsicht besitzt das Internet für diese Gruppe eine enorme strategische Bedeutung. Auf der Nachfrageseite außerhalb des rechtsextremen Spektrums ist die Wahrnehmung der Agitation schwierig zu analysieren, so der Autor, aber nach ersten Ergebnissen weniger relevant als die Wirkung nach innen. Unzweifelhaft ein interessanter Ausgangspunkt für weitere Studien zum Thema.
Stefan Göhlert (SG)
M. A., Politikwissenschaftler, Protokollchef und Bürgerbeauftragter in der Verwaltung der Stadt Jena.
Rubrizierung: 2.22 | 2.333 | 2.331 | 2.37 Empfohlene Zitierweise: Stefan Göhlert, Rezension zu: Bernd Nickolay: Rechtsextremismus im Internet. Würzburg: 2000, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/15333-rechtsextremismus-im-internet_17447, veröffentlicht am 01.01.2006. Buch-Nr.: 17447 Rezension drucken