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Vincenz Leuschner

Politische Freundschaften. Informelle Beziehungen im Deutschen Bundestag

Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft 2011 (Studien zur Politischen Soziologie 8); 343 S.; brosch., 49,- €; ISBN 978-3-8329-5964-7
Diss. Berlin; Begutachtung: H.-P. Müller, H. Bluhm. – Sowohl im medialen Betrieb als auch in den Reden der Berufspolitiker findet sich der Begriff der politischen Freundschaft häufig wieder. Doch was steckt dahinter? Diese Frage beantwortet Leuschner. Politische Freundschaften werden oft als „Seilschaften, Filz, Klüngel, Cliquenwirtschaft“ (12) bezeichnet, schreibt er, also in der Öffentlichkeit negativ wahrgenommen. Die politikwissenschaftlichen Netzwerktheorien hingegen positivieren den Netzwerkgedanken und damit auch die persönlichen Bindungen der politischen Akteure untereinander. Leuschner konzentriert sich in seiner Untersuchung deshalb auf diese persönliche Ebene mit dem Ziel, ein besseres Verständnis für die „Verhaltens- und Handlungsweisen“ (14) der politischen Akteure zu entwickeln. Der Begriff politische Freundschaft wird im ersten Teil zunächst umgangssprachlich und ideengeschichtlich erläutert. In den beiden darauffolgenden Teilen werden einerseits die politischen Freundschaften aus Sicht der Bundestagsabgeordneten beschrieben, andererseits wird den Auswirkungen von politischen Freundschaften auf deren Handeln nachgegangen. Als Methodik wurden qualitative Leitfadeninterviews gewählt, als empirische Quellen dienen 19 qualitative Experteninterviews und vier weitere Sekundärinterviews. Das Ergebnis zeigt, dass politische Freundschaften für Vertrauen, Diskretion und Verlässlichkeit der politischen Akteure untereinander sorgen. Zudem tragen sie dazu bei, politische Karrieren zu befördern. Der Autor unterscheidet schließlich zwischen drei Arten von politischen Freundschaften. So lässt sich zwischen einer „intimen politischen Freundschaft“ (187), einer „balancierten politischen Freundschaft“ (194) und einer „strategischen politischen Freundschaft“ (200) unterscheiden. Die intime politische Freundschaft ist eine persönliche, informelle, die durch emotionale Nähe und private Beziehungen geprägt ist. Die balancierte politische Freundschaft ist über einen langen Zeithorizont gewachsen und basiert auf gemeinschaftlichen Erfahrungen. Die strategische politische Freundschaft hingegen basiert auf „Nutzbeziehungen“ (204), die auf den gegenseitigen Leistungsaustausch abzielen. Die wohlstrukturierte und gut verständliche Arbeit bieten einen leichten Zugang zum Thema. Der neuartige Fokus bringt einen tiefen Einblick in die Handlungsmuster der Abgeordneten mit sich. Die Lektüre empfiehlt sich vor allem für Politikwissenschaftler, aber auch für Soziologen.
Marko Jakob (MJ)
Dr., MBA.
Rubrizierung: 2.331 | 2.321 | 2.22 Empfohlene Zitierweise: Marko Jakob, Rezension zu: Vincenz Leuschner: Politische Freundschaften. Baden-Baden: 2011, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/34449-politische-freundschaften_41371, veröffentlicht am 01.12.2011. Buch-Nr.: 41371 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken