Der Schweizer Politikwissenschaftler Leonhard Neidhart nimmt seine Leser mit auf eine Reise durch das 20. Jahrhundert: Anhand der Parlamentsberichterstattung der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ) und des Stenographischen bzw. Amtlichen Bulletins der Bundesversammlung stellt er wichtige Meilensteine der eidgenössischen Politik vor. In einer reizvollen Collage wandert Neidhart so durch die Jahrzehnte und kommentiert die teilweise umfangreich angeführten Zitate der Parlamentarier und Bundesräte aus politikwissenschaftlicher Sicht und vor allem aber auch als engagierter Staatsbürger. Neidhart knüpft damit an sein 2010 veröffentlichtes Buch „Das frühe Bundesparlament. Der erfolgreiche Weg zur modernen Schweiz“ an, in dem er die politischen Entwicklungen der Jahre 1848 bis 1914 referiert und kommentiert. Diesem zuerst erschienenen Buch stellte Neidhart eine längere Einführung über die „Merkmale des Parlamentarismus schweizerischer Art“ voran, sodass die Debatten des 19. Jahrhunderts, aber auch die Entwicklung bis zur Gegenwart besser verstanden werden können. Im nun erschienenen Band über das 20. Jahrhundert fehlt leider, abgesehen von einigen knappen Seiten, eine vergleichbar strukturierte Einführung, sodass entsprechendes Vorwissen erforderlich ist, um das parlamentarische Geschehen richtig einordnen zu können. Mit der angenehm leichten, manchmal fast schon zu lockeren Kommentierung der Texte durch Neidhart ist es gleichwohl möglich, den politischen Kontext der vergangenen Debatten nachzuvollziehen. Ein Nachteil der chronologischen Präsentation ist jedoch die thematische Zerstückelung: Will man sich beispielsweise über die Entwicklung der schweizerischen Landwirtschaftspolitik durch die Jahrzehnte genauer informieren, heißt es eifrig zu blättern. Das ausführliche Inhaltsverzeichnis und das Personen‑ und Sachregister helfen hier ein wenig weiter. Erschwert wird die Lektüre leider zudem durch die sehr umfangreichen Abkürzungen, mit denen erklärtermaßen Platz geschaffen werden soll, die jedoch teilweise willkürlich und störend für den Lesefluss sind. Mit einem strafferen Lektorat wäre der Lesegenuss insgesamt deutlich größer ausgefallen.