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Hermann Lübbe

Politik nach der Aufklärung. Philosophische Aufsätze

München: Wilhelm Fink Verlag 2001; 246 S.; brosch., 24,54 €; ISBN 3-7705-3569-3
Lübbe - man kennt es aus seinen jüngeren Schriften - demonstriert gerne und zudem in geschliffener Diktion seine Distanz zu dem, was in der Sicht anderer, eher "linker" Theoriepositionen als Tradition der Aufklärung normativ hervorgehoben wird. Das Problematische der Aufklärungstradition - so lautet die fast post-modern anmutende Prämisse Lübbes - sei an den "Schrecken des jüngst vergangenen Jahrhunderts" abzulesen, die "ja keineswegs als Restbestände voraufgeklärter Traditionen[,... sondern vielmehr als] Folgen totaler Aufklärungsmobilisierung" verständlich gemacht werden könnten (7). Die Gegenstände, an denen der Autor seine aufklärungskritischen Reflexionen durchspielt, betreffen Folgen gesellschaftlicher Modernisierung für Politik - und zwar sowohl hinsichtlich politischer Handlungsspielräume als auch mit Blick auf die Legitimität politischer Institutionen. Dazu zählen einerseits Modernisierungsgewinne, die sich in Gestalt individualisierter und pluralisierter Lebenswelten gegenüber totalitären beziehungsweise technokratischen (zentral-staatlichen) Regulierungen geltend machen (11 ff; 75 ff.) oder angesichts der zunehmend massenmedial integrierten Demokratie "symbolische Politik" wichtiger werden lassen (151 ff.). Dazu gehören andererseits aber auch gegenläufige Tendenzen, die - ausgehend von einem prinzipiellen, deshalb lebensfremden Laizismus (siehe 72) - im Verhältnis von Politik und Religion die "religionskulturelle Prägung des Gemeinwesens" ignorieren und fälschlich den öffentlichen Raum von symbolischen Bekundungen historisch gewachsener kultureller Bestände freihalten wollen (39 ff.). Sein spezifisches Verständnis von "Zivilreligion" unterstreicht Lübbe dann in einer dezidierten Kritik des so genannten "Kruzifix-Beschlusses" des Bundesverfassungsgerichts (193 ff.), das vordergründig das Grundrecht der Religionsfreiheit stärken wollte, faktisch aber eine "Mehrung kulturkämpferischer Konfliktbereitschaft" nach sich ziehen werde (212). Bis auf drei Erstveröffentlichungen sind die Aufsätze 1998 beziehungsweise 1999 schon einmal an anderer Stelle publiziert worden. Inhalt: Vorbemerkung: Nach der Aufklärung; Technokratie. Politische und wirtschaftliche Schicksale einer philosophischen Idee; Politik und Religion nach der Aufklärung; Politische Organisation in Modernisierungsprozessen; Deutsche Zustände im Urteil eines politischen Moralisten. Der Fall Karl Jaspers; 1968. Zur deutschen Wirkungsgeschichte eines politromantischen Rückfalls; Zeichen-Setzen. Funktionen symbolischer Politik in der modernen Demokratie; Wortgebrauchspolitik. Zur Pragmatik der Wahl von Begriffsnamen; Zivilreligion in der Demokratie. Mißverstand im "Kruzifix-Beschluß" des Deutschen Bundesverfassungsgerichts; Europäische Supranationalität. Unionsbildung und staatliche Pluralisierung.
Thomas Mirbach (MIR)
Dr., wiss. Mitarbeiter, Lawaetz-Stiftung Hamburg, Lehrbeauftragter, Institut für Politische Wissenschaft, Universität Hamburg.
Rubrizierung: 5.42 | 5.43 Empfohlene Zitierweise: Thomas Mirbach, Rezension zu: Hermann Lübbe: Politik nach der Aufklärung. München: 2001, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/15064-politik-nach-der-aufklaerung_17106, veröffentlicht am 01.01.2006. Buch-Nr.: 17106 Rezension drucken