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Dennis Maelzer

Politik gut beraten? Lernprozesse in deutschen Gesundheitsreformen

Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft 2014 (Kommunikation in Politik und Wirtschaft 9); 416 S.; brosch., 76,- €; ISBN 978-3-8487-1095-9
Politikwiss. Diss. Hannover; Begutachtung: W. Lamping, M. Döhler. – Am konkreten Beispiel von gesundheitspolitischen Reformen über einen Zeitraum von drei Legislaturperioden untersucht Dennis Maelzer den Einfluss wissenschaftlicher Politikberatung auf ein hochgradig streitbares und komplexes wie pfadabhängiges Politikfeld. Aus einer lerntheoretischen Perspektive geht er zunächst auf das Verhältnis von Wissenschaft und Politik ein und beschreibt ausführlich das Feld der deutschen Gesundheitspolitik. Auf dieser Grundlage werden verschiedene Arbeitsthesen formuliert, die sich auf unterschiedliche Faktoren beziehen, die die Lerneffekte von wissenschaftlicher Politikberatung beeinflussen können. Sie betreffen beispielsweise die Frage nach der inhaltlichen Anschlussfähigkeit der Beratungsergebnisse an politische Zielvorstellungen, die Konstellation der politischen und beratenden Akteure, die Bedeutung der Öffentlichkeit sowie spezifische Merkmale des Politikfeldes. Den Kern der Arbeit bildet eine vergleichende Fallanalyse von drei weitreichenden Reformen zur Grundlage der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV): das 2003 beschlossene GKV‑Modernisierungsgesetz (GMG), das GKV‑Wettbewerbsstärkungsgesetz von 2007 sowie das GKV‑Finanzierungsgesetz (GKV‑Fin) von 2010. Maelzer stellt die parteipolitischen Positionen und Ziele der jeweiligen Reform dar, vollzieht den Aushandlungsprozess detailliert nach und gleicht diesen mit den Empfehlungen und Vorschlägen der Beratungsinstanzen ab, wobei er zwischen drei Formen der Politikberatung unterscheidet: Neben der klassischen Form der Sachverständigenräte werden Ad‑hoc‑Beratungen wie die Rürup‑ oder die Herzog‑Kommission sowie die parteinahen Stiftungen als interessengeleitete Think Tanks in die Analyse einbezogen. Während Maelzer den Sachverständigenräten eine relativ hohe Bedeutung vor allem im Hinblick auf die Legitimitätsfunktion zuschreibt, können die politischen Stiftungen höchstens als Mittler zwischen Sachverstand und Parteiinteressen wirken. Die Möglichkeiten wissenschaftlichen Agierens variierten in den drei Reformen und erzielten unterschiedliche Effekte. Beispielsweise führte die Politikberatung beim GMG zu einem „Veränderungs“‑ beziehungsweise einem „Verbesserungslernen“ (226), während der Autor im Gesetzgebungsprozess des GKV‑WSG eine „Lernverweigerung“ (291) ausmacht. Die Untersuchung zeigt insgesamt, dass „Politikgestaltung in hohem Maße eklektisch funktioniert und die Wissenschaft folglich möglichst auf Höhe der politischen Agenda operieren muss“ (371).
Anke Rösener (AR)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 5.22.343 Empfohlene Zitierweise: Anke Rösener, Rezension zu: Dennis Maelzer: Politik gut beraten? Baden-Baden: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/37493-politik-gut-beraten_45855, veröffentlicht am 04.09.2014. Buch-Nr.: 45855 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken