Skip to main content
Claudia-Yvette Matthes

Polen und Ungarn - Parlamente im Systemwechsel. Zur Bedeutung einer politischen Institution für die Konsolidierung neuer Demokratien

Opladen: Leske + Budrich 1999 (Forschung Politikwissenschaft 39); 342 S.; kart., 68,- DM; ISBN 3-8100-2535-6
Diss. FU Berlin; Gutachter: D. Herzog. - Anhand eines neoinstitutionalistischen Forschungskonzepts beschäftigt sich die Arbeit mit den Funktionsmechanismen zweier mittelosteuropäischer Parlamente und ihrem Beitrag zur Konsolidierung der beiden jungen Demokratien. Untersucht werden zunächst die Stellung der Parlamente (im Fall Polens: des Sejm) im Regierungssystem sowie ihre interne Organisation und Arbeitsweise als Voraussetzungen und Determinanten einer etwaigen Konsolidierungsleistung. Die Verfasserin konstatiert für beide Organe einen Trend zur Professionalisierung der parlamentarischen Arbeitsweise (Stärkung der Fraktionen, wachsende Fraktionsdisziplin etc.) verbunden mit einem veränderten Rollenverständnis der Abgeordneten. Unterschieden werden unter diesem Gesichtspunkt eine personalisierte Phase bis 1993/94 und eine rationalisierte Phase nach den zweiten genuin demokratischen Wahlen. Eine dem Muster etablierter parlamentarischer Demokratien entsprechende Aufgabenwahrnehmung und Funktionserfüllung habe in der ungarischen Landesversammlung früher eingesetzt als im Sejm, da sich die Strukturierung des Parteiensystems bereits im Vorfeld der founding elections und nicht erst im Parlament vollzogen habe. Vor allem aber sei in Polen durch die Konflikte zwischen dem autokratisch orientierten Präsidenten Walesa und dem Sejm die effektive Kontrolltätigkeit des Parlaments und insbesondere eine rationalisierte Interaktion mit der Regierung verzögert worden. Die Autorin findet entsprechend die von Rüb und anderen formulierte These von der Dysfunktionalität semipräsidentieller Arrangements für junge Demokratien für Polen bestätigt. Insgesamt stellt sie jedoch in beiden Staaten einen verbesserten Konsolidierungsbeitrag der nationalen Parlamente fest, der sich vorwiegend der Herausbildung des klassischen Dualismus von Regierungsmehrheit und Opposition verdankt. Defizite bestehen weiterhin in der Interaktion mit Verbänden und Interessengruppen sowie - von Matthes kritisch kommentiert - in der unzureichenden Responsivität gegenüber den Wählern. Durch die Auswertung zahlreicher originalsprachiger Quellen und Interviews mit Parlamentariern fundiert, bietet die Arbeit eine analytisch gehaltvolle und empirisch gesättigte Auseinandersetzung mit dem Konsolidierungsbeitrag der Institution Parlament im mittelosteuropäischen Transformationsprozeß. Sie dürfte für die zukünftige Untersuchung des Parlamentarismus in postkommunistischen Staaten Europas eine wichtige Orientierung bieten.
Michael Edinger (ME)
M. A., wiss. Mitarbeiter, Sonderforschungsbereich 580, Universität Jena (www.uni-jena/svw/powi/sys/edinger.html).
Rubrizierung: 2.21 | 2.62 | 2.2 Empfohlene Zitierweise: Michael Edinger, Rezension zu: Claudia-Yvette Matthes: Polen und Ungarn - Parlamente im Systemwechsel. Opladen: 1999, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/10300-polen-und-ungarn---parlamente-im-systemwechsel_12184, veröffentlicht am 01.01.2006. Buch-Nr.: 12184 Rezension drucken