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Helmut Hubel / Markus Kaim / Oliver Lembcke

Pax Americana im Nahen Osten. Eine Studie zur Transformation regionaler Ordnungen

Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft 2000; 244 S.; brosch., 25,05 €; ISBN 3-7890-6817-9
Ein Blick auf die gegenwärtige Situation im Nahen Osten gibt nicht gerade Anlass zu Optimismus - nach Jahrzehnten der mühsamen Annäherung zwischen Israelis und Arabern scheint der Oslo-Prozess an sein Ende gelangt zu sein. Aus der Sicht des Autorentrios dürfte sich die aktuelle Situation nicht ganz so schwarz darstellen. Sie betonen nämlich, wie bereits der Titel ihrer lesenswerten Studie zeigt, die Bedeutung des politischen und militärischen Engagements der USA für die Stabilität im Nahen Osten und zeigen damit, dass die tagespolitischen Krisen allein für einen Abgesang auf den Friedensprozess noch keine hinreichende Grundlage bilden. Die zentrale These ihres Buches lautet, dass die USA seit 1967 und besonders seit 1991 strukturbildend im Friedensprozess gewirkt haben. Unter "Pax Americana" verstehen die Autoren folglich die "Durchsetzung und Bewahrung von Werten und Normen der USA in dieser Weltregion" (21). Ihr Versuch zu zeigen, dass sich die Ordnung im Nahen Osten in der Folge des Sechs-Tage-Krieges (1967) von einem nahezu anarchischen in einen in einigen Teilen verregelten Zustand transformiert hat, stützen die Autoren auf eine Typologie regionaler Ordnungen, die zwischen fünf Ordnungszuständen (Anarchie, Machtbalance, Mächtekonzert, Interdependenz, Integration) unterscheidet. Dieses Konzept ermöglicht es den Autoren, den Friedensprozess als zunehmende Verregelung der Konfliktstrukturen zu rekonstruieren. Als gleichsam regulatives Telos des Friedensprozesses zeichnet sich dann als eine dem europäischen Modell entlehnte utopische Friedensordnung, die etwa Schimon Peres in seinem Entwurf des "New Middle East" skizziert hat. Im ersten Teil (21-50) steckt Hubel den begrifflichen und theoretischen Rahmen der Untersuchung ab: Er definiert den Nahen Osten als diejenige Region, "in der sich um die Frage der Existenz Israels ein besonderes Muster von Beziehungen aufgebaut hat" (28) und gibt Kriterien für das Scheitern des Theoriekonzepts "Pax Americana" an, nämlich das Auftreten eines weiteren großen Nahost-Krieges, den Zusammenbruch des Friedensprozesses sowie das Auftreten anderer Vermittler als die USA beziehungsweise deren arabische Partner (Ägypten, Jordanien). Obwohl sich die Lage im Nahen Osten seit Abschluss der Studie erheblich verschlechtert hat, kann von einer empirischen Falsifikation des "Pax-Americana-Ansatzes" keine Rede sein. Kaim rekonstruiert im zweiten Teil (51-114) die Bedeutung der USA in den Friedensverhandlungen seit dem israelisch-ägyptischen Frieden von 1979. Er zeigt nachvollziehbar, dass die von den USA angenommene Rolle von der je akuten politischen Situation der Verhandlungspartner abhängt. Während die USA bei gut laufenden Verhandlungen in die Rolle des "Facilitators" schlüpfen und lediglich die äußeren Rahmenbedingungen für Verhandlungen bereitstellen, sorgen sie bei stockenden Verhandlungen als "Broker" und "Stabilizer" aktiv für das Weiterkommen der Verhandlungen, etwa, indem sie eigene Friedensinitiativen vorlegen. Im Falle eines (drohenden) bewaffneten Konflikts schließlich würden die USA in die Rolle des "Security Guards" für Israel schlüpfen. Im dritten Teil (115-192) nimmt Lembcke einen Perspektivenwechsel vor. Er fragt nach den innenpolitischen Determinanten des US-amerikanischen Engagements im Nahen Osten. Er untersucht anhand von empirischen Daten die Bedeutung der verschiedenen innenpolitischen Größen: Präsident, Kongress, Lobbies und öffentliche Meinung. Als entscheidend für das seit nunmehr über dreißig Jahren kontinuierliche Engagement der Vereinigten Staaten im Nahen Osten stellt er den pro-israelischen Grundkonsens in der amerikanischen Gesellschaft heraus, der sich, verstärkt durch die Präsenz der pro-israelischen Lobbies, auf den Kongress überträgt. Der amerikanische Präsident als Chief Commander der Außenpolitik, so folgert Lembcke, kann nur innerhalb dieses, die Gesellschaft tragenden Konsenses agieren. Eine für den Friedensprozess zentrale Frage stellt sich damit innerhalb des Kräftefelds amerikanischer Innenpolitik: "Wieviel an innenpolitischer Kontroverse ist ein amerikanischer Präsident bereit auszuhalten, um außenpolitisch Einflußmöglichkeiten gegenüber einer israelischen Regierung freizusetzen, die keine kooperative Rolle im Friedensprozeß zu spielen bereit ist?" (149) In einem vierten Schritt (193-214) fragt Hubel nach der Bedeutung der innenpolitischen Konstellationen der arabischen Staaten. Interessant in diesem Kapitel ist vor allem die deklaratorischen Prinzipien zuwiderlaufende Feststellung, dass die US-Friedenspolitik dazu beigetragen hat, autoritäre Führer zu stabilisieren - immer dann nämlich, wenn sie sich als akzeptable Verhandlungspartner erwiesen haben. "Pax Americana" ist eine sehr lesenswerte, aufschlussreiche Studie über den Friedensprozess im Nahen Osten, deren methodenpluralistischer Ansatz eine Reihe von Deutungen und Erklärungsmustern zu integrieren in der Lage ist. Man darf gespannt sein, ob das Konzept einer "Pax Americana" nicht nur im Nahen Osten, sondern auch in anderen Weltregionen trägt, wie die Autoren im Fazit ihres Werkes vermuten.
Florian Weber (FW)
M. A., wiss. Mitarbeiter, Institut für Politikwissenschaft, Universität Jena.
Rubrizierung: 4.22 | 2.64 | 2.63 | 4.41 Empfohlene Zitierweise: Florian Weber, Rezension zu: Helmut Hubel / Markus Kaim / Oliver Lembcke: Pax Americana im Nahen Osten. Baden-Baden: 2000, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/13459-pax-americana-im-nahen-osten_16127, veröffentlicht am 01.01.2006. Buch-Nr.: 16127 Rezension drucken