Organisierte Kriminalität und Terrorismus. Zur Funktionalisierung von Bedrohungsszenarien beim Abbau eines rechtsstaatlichen Strafrechts
Rechtswiss. Diss. Frankfurt a. M. – Organisierte Kriminalität und in der jüngsten Vergangenheit auch der Terrorismus sind zentrale Bedrohungsszenarien unserer Zeit. Das postulierte Bedrohungspotenzial wird zur Rechtfertigung zum Teil massiver Eingriffe in rechtsstaatliche Strafrechtsprinzipien herangezogen. Dieser Entwicklung steht Riechmann kritisch gegenüber und argumentiert, eine besondere Bedrohung durch organisierte Kriminalität und Terrorismus sei – betrachtet man die vorhandene Datengrundlage – in keiner Weise gegeben. Dennoch wären solche Bedrohungsszenarien keine historische Neuerscheinung – schon Reichskanzler Bismarck habe versucht, den angeblich gemeingefährlichen Sozialdemokraten durch Gesetzesverschärfungen Einhalt zu gebieten. Die Funktion von Begriffen wie „organisierte Kriminalität“ oder „gemeingefährlicher Sozialdemokrat“ sieht der Autor darin, soziale Problemlagen auf dem jeweiligen Gebiet und die Reformunfähigkeit des Staates zu überdecken und durch eine Verschiebung in den Bereich des Strafrechtes scheinbar zu lösen. Der Schwerpunkt des Buches liegt auf dem Problem der organisierten Kriminalität, darin sieht der Autor das bestimmende Bedrohungsszenario der letzten 30 Jahre. Der Terrorismus als neue Entwicklung auf diesem Gebiet wird nur in einem Ausblick thematisiert. Riechmann weist in Bezug auf beide Themen definitorische Mängel nach, die es schwer machen, das Phänomen überhaupt zu bestimmen. Er zeigt anhand des Datenmaterials, dass sowohl in der quantitativen als auch in der qualitativen Dimension die Gefährdung durch diese Bedrohungen gering, die Bedrohungswahrnehmung aber sehr hoch ist. Dann analysiert der Autor die Veränderungen im deutschen Recht, mit denen der Staat auf diese Phänomene reagierte. Dabei sieht er nachhaltige Beeinträchtigungen zentraler Prinzipien eines rechtsstaatlichen Strafrechts.