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Stefan Kadelbach (Hrsg.)

Nach der Finanzkrise. Rechtliche Rahmenbedingungen einer neuen Ordnung

Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft 2012 (Schriften zur Europäischen Integration und Internationalen Wirtschaftsordnung 25); 221 S.; 55,- €; ISBN 978-3-8329-7184-7
Der Band enthält fünf Vorträge des Zehnten Frankfurter Walter-Hallstein-Kolloquiums 2010, die durch eine Überarbeitung den Stand der politischen Ereignisse des ersten Halbjahres 2011 abbilden. Aus politikwissenschaftlicher Perspektive ist nicht nur der Beitrag von Daniela Schwarzer interessant, die prägnant die Economic-Governance-Mechanismen und die rechtlichen Maßnahmen der EU zur Rettung der Eurozone beschreibt. Als Treiber des intensiven Krisenmanagements der EU macht Schwarzer eine „partielle Disfunktionalität des bestehenden Regelwerks zur Koordinierung nationaler Wirtschafts- und Haushaltspolitiken“ sowie die „Schwächen im europäischen Bankensektor“ (17) aus. In ihrem Ausblick verweist Schwarzer auf ein Problem, das in der Diskussion gerne unter den Tisch gekehrt wird: Die anhaltenden Divergenzen in der Wirtschaftskraft könnten die strukturellen Unterschiede in der Wettbewerbsfähigkeit der EU-Mitgliedstaaten zementieren und damit eine „Abkoppelung der Peripherie bewirken“ (28). Auch wenn man eine Mezzogiorno- oder Ostdeutschland-Problematik nicht für die gesamte EU herbeireden sollte, so ist doch der Hinweis bedeutsam, dass die Kohäsionsziele und -instrumente spätestens nach der Krise überdacht werden müssen. Lesenswert ist zudem der Beitrag von Helmut Siekmann, da er in erfrischend offener Weise auch das „Versagen der Fachwissenschaften“ anprangert, wenn er feststellt, dass „mitnichten Ursachen und Natur der Krise hinreichend verstanden sind“ (131). Inhaltlich plädiert er für eine Totalrevision der Finanzaufsicht in Europa, da die „gegenwärtige Staatsschuldenkrise im Kern eine Krise der Finanzinstitute“ (134) sei. Um seine Argumentation zu untermauern, stellt Siekmann ausführlich die historische Entwicklung, die rechtliche Stellung sowie die Funktionen der drei von der EU geschaffenen Aufsichtsbehörden dar. Von einer wirklichen „Europäisierung der Aufsicht“ könne dabei dennoch nicht gesprochen werden, obwohl das neu entstandene Institutionen-Netzwerk komplex sei. Martin Nettesheim befasst sich in seinem Aufsatz hingegen mit dem Umbau der Währungsunion. Auch er räumt ein, dass die Krise die Europarechtswissenschaften „mit bislang kaum gestellten und auf neuen Grund führenden Fragen nach der Rolle und den Grenzen des Rechts im Prozess der europäischen Integration“ (32) konfrontiere. Auch wenn sich die Beiträge stellenweise in verfassungs- und europarechtlichen Details verlieren, so zeigt dieser Band einmal mehr, wie sehr die Politikwissenschaft originäre Untersuchungsfelder ihrer eigenen Disziplin den Nachbardisziplinen überlässt: historisches Institution Building, innerstaatliche Verhandlungsprozesse mit weitreichenden Folgen für das Verfassungsgefüge sowie das Verhältnis zwischen Markt und Staat.
Henrik Scheller (HS)
Dr. phil., Dipl.-Politologe, wiss. Mitarbeiter, Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät, Lehrstuhl Politik und Regieren in Deutschland und Europa, Universität Potsdam.
Rubrizierung: 3.53.23.14.435.45 Empfohlene Zitierweise: Henrik Scheller, Rezension zu: Stefan Kadelbach (Hrsg.): Nach der Finanzkrise. Baden-Baden: 2012, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/35133-nach-der-finanzkrise_42292, veröffentlicht am 28.06.2012. Buch-Nr.: 42292 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken