Die wachsende Ungleichheit in der Welt ist für Manfred Nowak, Professor für Internationales Recht und Menschenrechte an der Universität Wien und früherer UN‑Sonderberichterstatter über Folter sowie Berater der UN‑Hochkommissarin für Menschenrechte, das zentrale Problem des 21. Jahrhunderts und eine Hauptursache für viele Krisen und Konflikte der Gegenwart. Nowak zeigt, inwieweit die Menschenrechte als Lösungsansatz und Handlungsanleitung für die Politik anschlussfähig sein könnten, um die wachsende Ungleichheit zu bekämpfen. Nach einem kurzen Diskurs über die Ungleichheitsentwicklung, bei dem er auf verschiedene aktuellere empirische Studien rekurriert, folgt ein kurzer Abriss über die Geschichte der Menschenrechte und des Rechts auf Gleichheit. Aus diesem normativen Prinzip, das das gesamte System des internationalen Menschenrechtsschutzes durchdringt, leitet er weitere Menschenrechte ab und kommt zu dem Schluss, dass wachsende Ungleichheit neben dem Recht auf Gleichheit weitere Menschenrechte wie die auf soziale und persönliche Sicherheit, Gesundheit und einen angemessenen Lebensstandard verletzt. Hauptursache für die weltweit zunehmende Ungleichheit ist für Nowak die neoliberale Wirtschaftspolitik. Die westlichen Länder hätten „in den frühen 1990er‑Jahren eine historisch einmalige Chance verpasst, nach dem Zusammenbruch der kommunistischen Staaten und dem Wegfall des Eisernen Vorhangs eine neue und gerechtere internationale Wirtschafts‑ und Sozialordnung auf der Grundlage des Rechtsstaats, der Demokratie und der Menschenrechte zu verwirklichen“ (171). Er sieht die Staaten, die durch bewusste wirtschaftspolitische Entscheidungen die Verantwortung für die wachsende Einkommens‑ und Vermögensungleichheit trügen, in der Pflicht: „Da sich alle Staaten in der Welt völkerrechtlich dazu verpflichtet [haben], durch geeignete Maßnahmen die Verwirklichung voranzutreiben, haben sie auch eine Pflicht und Verantwortung, die wachsende Ungleichheit durch entsprechende Sozial‑ und Umverteilungsmaßnahmen […] zu bekämpfen.“ (172)