Islam und Verfassungsstaat. Theologische Versöhnung mit der politischen Moderne?
Islamwiss. Diss. Bern; Gutachter: R. Schulze, W. Lienemann. – Die vermehrte Präsenz von Muslimen im Westen habe vielfach Unbehagen bezüglich deren Einstellung gegenüber den abendländischen Rechtsauffassungen aufkommen lassen, so Wick. Darüber werde vergessen, dass die christlichen Kirchen den verfassungsstaatlichen Garantien von Gleichberechtigung und Religionsfreiheit lange skeptisch bis ablehnend gegenüberstanden. Nach zähem Ringen hätten sich aber die großen christlichen Kirchen theologisch mit den Errungenschaften der politischen Moderne versöhnt. Heute stehe die islamische Welt vor ähnlichen Herausforderungen. Weil teilweise radikale Laienprediger die öffentliche Wahrnehmung prägten, würden viele glauben, dass Demokratie und verfassungsstaatliche Freiheitsrechte mit dem Islam unvereinbar seien. Dabei werde übersehen, dass institutionell organisierte Religionsgelehrte für die islamische Normativität von weit größerer Bedeutung seien. Daher fragt Wick, wie diese religiösen Autoritäten die verfassungsrechtlich garantierten Freiheiten der politischen Moderne aus islamisch-theologischer Sicht beurteilen. Daraus ergibt sich die Frage, welche Funktion Theologie im Islam hat und ob diese derjenigen im christlichen Kontext entspricht. Er gelangt zu dem Ergebnis, dass es keine Anhaltspunkte dafür gebe, dass Muslime nicht fähig wären, eine konstitutionelle Ordnung zu akzeptieren. Eine politische Um- bzw. Durchsetzung verfassungsstaatlicher Prinzipien sei denkbar. Aber die freiheitlichen Aspekte der konstitutionellen Ordnung werden in der muslimischen Welt ohne eigenen „mentalitätswandelnden Prozess“ politisch schwer zu implementieren sein. Dieser bedürfe zwar nicht zwingend eines ebenso langen Ringens wie im Abendland, aber er lasse sich auch nicht innerhalb weniger Jahrzehnte erzwingen. Da sei Geduld angesagt, die muslimische Theologie könne diesen Prozess jedoch „katalytisch beschleunigen“ (182).