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Annette Brockmöller (Hrsg.)

Hundert Jahre Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie (1907-2007) Auswahl 14 bedeutender Aufsätze von Kelsen, Radbruch, Luhmann u. a.

Stuttgart: Franz Steiner Verlag 2007 (Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie Beiheft 112); 442 S.; kart., 39,- €; ISBN 978-3-515-09100-8
Das Beiheft ist für den Leser von doppeltem Interesse. Einerseits versammelt es systematisch und wirkungsgeschichtlich bedeutende Aufsätze, die den Gang der rechts- und sozialphilosophischen Diskussionen der letzten hundert Jahre mitgeprägt haben. Zu denken ist beispielsweise an Hans Kelsens Aufsatz „Die Lehre von den drei Gewalten oder Funktionen des Staates“ von 1923, in dem er einen einheitlichen Begriff der Rechtserzeugung propagiert. Er richtet sich darin im Kontext der staatsrechtlichen Diskussion der Weimarer Zeit gegen die (montesquieusche) Überzeugung, gerichtliche Urteile und Verwaltungsanordnungen beschränkten sich auf die bloße Findung oder Konkretisierung des bereits zuvor determinierten Rechts. Theodor Smends Schrift „Politisches Erleben und Staatsdenken seit dem achtzehnten Jahrhundert“ betont die Notwendigkeit des „Erlebnis“-Charakters von Politik für die Integration des Gemeinwesens. Die Verfassung müsse nicht nur als ein Rechts-, sondern auch als ein Lebenszusammenhang verstanden werden. Die Neuveröffentlichung dieses Aufsatzes von 1943 zeigt, dass die zeitgenössische Demokratie- und Verfassungstheorie in Smend einen älteren Zeitgenossen hat. Genuin zeitgenössischer Natur ist Arthur Kaufmanns Artikel über die „Wissenschaftlichkeit der Rechtswissenschaft“, mit dem er sich kritisch gegen die Diskurstheorie zur Wehr setzt. In juridischer Perspektive sei der diskurstheoretische Wahrheitsbegriff unzureichend. Wahrheit müsse stattdessen konvergenztheoretisch als methodisch stringente, schrittweise Annäherung an die Wirklichkeit verstanden werden. – Andere Aufsätze hingegen sind von eher historischem Interesse, weil sie Spiegel ihres Entstehungskontextes sind. Gustav Radbruch nimmt 1942 Stellung gegen die „Verdeutschung“ Ciceros in den Officien-Übersetzungen Johann von Schwarzenbergs. Er stellt Cicero als einen Denker der Toleranz heraus und übt damit leise Kritik an der nationalsozialistischen Vereinnahmung der Tradition.
Florian Weber (FW)
M. A., wiss. Mitarbeiter, Institut für Politikwissenschaft, Universität Jena.
Rubrizierung: 5.46 Empfohlene Zitierweise: Florian Weber, Rezension zu: Annette Brockmöller (Hrsg.): Hundert Jahre Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie (1907-2007) Stuttgart: 2007, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/28761-hundert-jahre-archiv-fuer-rechts--und-sozialphilosophie-1907-2007_33931, veröffentlicht am 11.06.2008. Buch-Nr.: 33931 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken