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Giorgio Agamben

Herrschaft und Herrlichkeit. Zur theologischen Genealogie von Ökonomie und Regierung. Homo sacer II.2

Berlin: Suhrkamp 2010 (edition suhrkamp 2520); 361 S.; 20,- €; ISBN 978-3-518-12520-5
Der an der Universität Venedig Philosophie lehrende Agamben hat aus seinem Faible für Carl Schmitt nie einen Hehl gemacht. Und so beruft er sich in dieser Schrift gleich eingangs auf dessen Diktum, alle prägnanten Begriffe der modernen Staatslehre seien säkularisierte theologische Begriffe. Damit ist die Begriffsarchäologie – wie schon in den früheren Teilbänden seines Homo sacer-Projekts (siehe auch die Buch-Nr. 9020, 24539, 39303) – als methodologische Perspektive benannt; das herangezogene Material reicht von der zeitgenössischen politischen Theorie weit zurück in theologische Lehren des frühen Mittelalters. Und wie die vorausgegangenen Studien ist auch diese eine dezidierte Kritik der etablierten politischen Philosophie und Politikwissenschaft – beide nämlich geben sich keine Rechenschaft über das Ausmaß der Strukturähnlichkeiten zwischen dem theologischen und dem politischen Begriffsarsenal. Ausgehend von dem theologischen Disput über eine transzendente oder immanente Rechtfertigung der göttlichen Ordnung setzt sich Agamben in akribischen Textinterpretationen mit dem Verhältnis zwischen der Macht als Regierung und effizienter Verwaltung („Ökonomie“) und der Macht als zeremoniell gebundener Herrschaft („Herrlichkeit“) auseinander. Immer wieder lautet seine Frage: „Wenn die Macht ihrem Wesen nach Tatkraft und Effizienz ist, weshalb müssen ihr ritualisierte Akklamationen und Lobpreisungen dargebracht werden?“ (231) Diese Koppelung von „Ökonomie“ und „Herrlichkeit“ – so die provozierende Antwort Agambens – sei Ausdruck eines ökonomisch-theologischen Dispositivs, das auf der Gegenüberstellung von Regierung als vermeintlich bloß ausführender Gewalt und souveräner Gesetzgebung beruhe. Wesentlich vermittelt über Rousseau, habe das moderne politische Denken mit dieser Unterscheidung eine theologische Erbschaft übernommen, die letztlich dazu führe, Demokratie nur noch auf die von den Massenmedien organisierte Akklamation zu begründen und damit das zentrale Problem der Politik – die Regierungsmaschine – zu verhüllen.
Thomas Mirbach (MIR)
Dr., wiss. Mitarbeiter, Lawaetz-Stiftung Hamburg, Lehrbeauftragter, Institut für Politische Wissenschaft, Universität Hamburg.
Rubrizierung: 5.42 Empfohlene Zitierweise: Thomas Mirbach, Rezension zu: Giorgio Agamben: Herrschaft und Herrlichkeit. Berlin: 2010, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/28732-herrschaft-und-herrlichkeit_33890, veröffentlicht am 17.03.2011. Buch-Nr.: 33890 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken