Hans Kelsen. Staatsrechtslehrer und Rechtstheoretiker des 20. Jahrhunderts
Es handelt sich um den Sammelband einer Tagung, die das Max-Planck-Institut für europäische Rechtsgeschichte im November in Frankfurt veranstaltete, gemeinsam herausgegeben vom seinerzeitigen Direktor Stolleis und dem international renommierten US-amerikanischen Kelsen-Forscher Paulson. Hans Kelsen, Begründer der „Wiener Schule“ und Schöpfer der „Reinen Rechtslehre“, gilt vielen als der wohl bedeutendste Rechtstheoretiker des 20. Jahrhunderts. Sein Werk wird zur Zeit neuerlich breit rezipiert; eine Gesamtausgabe seiner Arbeiten ist beim gleichen Verlag in Vorbereitung. Aus politikwissenschaftlicher Sicht ist Kelsen vor allem als Staats- und Demokratietheoretiker von Interesse – aber auch als jemand, der grundlegend das Verhältnis von Politik und Recht problematisiert hat. In diesem Kontext hält der Band mit seinen rund 20 Aufsätzen neben rechts- und wissenschaftstheoretischen (insbesondere: „Neukantianismus“, „Stufenbautheorie“) fast zur Hälfte auch Beiträge bereit, die gerade für das Verständnis und die ideengeschichtliche Einordnung seiner Staatstheorie von Bedeutung sind. Das betrifft zum einen die scharfen Kontroversen Kelsens mit dem Rechtssoziologen Eugen Ehrlich und – im Rahmen des „Weimarer Richtungsstreits“ – mit Rudolf Smend, dessen „Integrationslehre“ in Deutschland bis heute wirkmächtig geblieben ist. Zum anderen werden die Bezüge Kelsens zu Marx, Lassalle und dem „Austromarxismus“ des mit ihm befreundeten Max Adler thematisiert sowie Kelsens Verfassungsbegriff, Bundesstaatstheorie und sein „Völkerrechtsmonismus“. Auch hier bietet Kelsen bis heute interessante Anknüpfungspunkte für die politisch-theoretische Erfassung des Prozesses der europäischen und internationalen „Konstitutionalisierung“. Insgesamt ein vorzüglich kompilierter, international besetzter Sammelband, bei dem man sich gleichwohl noch je einen eigenen Beitrag zu „Kelsen und Heller“ sowie „Kelsen und Schmitt“ gewünscht hätte.