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Hans Christoph Buch

Haiti. Nachruf auf einen gescheiterten Staat

Berlin: Verlag Klaus Wagenbach 2010; 189 S.; 12,90 €; ISBN 978-3-8031-2648-1
Der Essayist und Romanautor Hans Christoph Buch zeichnet in seinem „Nachruf auf einen gescheiterten Staat“ die Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte Haitis nach. Seine Betrachtungen illustriert er mit zahlreichen historischen Primärquellen. Er beginnt mit der Ankunft der spanischen Seefahrer 1492, die die indigene Bevölkerung vernichten und afrikanische Arbeitssklaven einführen. Nachdem die Spanier das Interesse an Haiti verlieren, wird die Insel im 17. Jahrhundert französische Kolonie. Die sich nun entwickelnde Sozialstruktur aus der herrschenden Klasse der Weißen, der Zwischenklasse der "freie[n] Farbige[n]" (22) und der unterdrückten Klasse der schwarzen Sklaven stellt Buch eingehend dar. Er beschreibt den Kampf der „freien Farbigen“ um politische und soziale Gleichberechtigung sowie die Sklavenaufstände. Auch die Debatten in der französischen Nationalversammlung, die 1794 zur Abschaffung der Sklaverei führen, finden hier Berücksichtigung. Unter Napoleon wird diese Entscheidung aufgehoben, auf Haiti gelingt die Wiedereinführung der Sklaverei jedoch nicht. 1804 wird Haiti schließlich unabhängig. Im letzten Abschnitt widmet Buch sich der Frage, warum Haiti, das aus eigener Kraft seine Freiheit erringt, heute als gescheiterter Staat gilt. Vetternwirtschaft, Korruption, Unruhen und Misswirtschaft kennzeichnen die Jahre nach der Unabhängigkeit. In der Hoffnung, die politische und wirtschaftliche Isolation zu durchbrechen, erkauft sich Haiti die Anerkennung durch Frankreich mit Entschädigungszahlungen. Die erste Tranche kann der haitianische Staat nur aufbringen, indem er in Paris einen Kredit aufnimmt. Bis Ende des 19. Jahrhunderts muss Haiti einen Großteil seiner durch Kaffeeexport erwirtschafteten Devisen an Frankreich abführen. Buch beschreibt die „Erblast von kolonialer Willkür und Despotie“: die Ökonomie der Insel beruhe auf „Raffgier und Selbstbereicherung“ (181). Die im 18. Jahrhundert wurzelnden Klassenkonflikte sind nach wie vor nicht überwunden. Die in der Kolonialzeit mit der Vernichtung des Tropenwaldes beginnende Umweltzerstörung und die Probleme der Überbevölkerung verschärfen heute die Situation des „gescheiterten Staates“.
Christoph Mohamad-Klotzbach (CHM)
M. A., Politikwissenschaftler (Soziologe, Historiker), wiss. Mitarbeiter, Institut für Politikwissenschaft und Sozialforschung, Julius-Maximilians-Universität Würzburg.
Rubrizierung: 2.65 Empfohlene Zitierweise: Christoph Mohamad-Klotzbach, Rezension zu: Hans Christoph Buch: Haiti. Berlin: 2010, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/33136-haiti_39593, veröffentlicht am 01.12.2011. Buch-Nr.: 39593 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken