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Julia Landau / Irina Scherbakowa (Hrsg.)

Gulag. Texte und Dokumente 1929-1956. Hrsg. im Auftrag der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora und der Gesellschaft "Memorial" Moskau

Göttingen: Wallstein Verlag 2014 (Gulag. Spuren und Zeugnisse 1929-1956); 218 S.; brosch., 14,90 €; ISBN 978-3-8353-1437-5
Zu den traurigsten Kapiteln in der Geschichte der Sowjetunion gehört zweifelsohne der Gulag – Millionen Menschen wurden inhaftiert und seit Mitte der 1920er‑Jahre zur Arbeit gezwungen, viele sind aufgrund der unmenschlichen Bedingungen umgekommen. Seit Beginn der 1990er‑Jahre sind die Gulag‑Opfer rehabilitiert und viele (wenngleich nicht alle) Akten zugänglich gemacht worden. Dank dieser Entwicklungen und den Erzählungen von Zeitzeug_innen weiß man heute überhaupt von den Zuständen in den Arbeitslagern. Es existieren allerdings kaum Fotos oder andere visuelle Quellen, sodass sich die zivilgesellschaftliche Organisation „Memorial“ unter anderem zum Ziel gesetzt hat, Artefakte aus den Arbeitslagern zusammenzutragen, eine Datenbank mit den Namen der Opfer zu erstellen und das bisher erschlossene Wissen in die Öffentlichkeit zu tragen. In diesem Zusammenhang hat „Memorial“ gemeinsam mit deutschen Menschenrechtsorganisationen und Gedenkstätten eine Ausstellung organisiert, deren wichtigste Zeugnisse bereits 2012 in einem Band dokumentiert wurden (siehe Buch‑Nr. 42317). Das nun erschienene Buch versammelt die zwei Vortrags‑ und Diskussionsreihen im Rahmen der Ausstellung und stellt die bisherigen (zum Teil nur auf Russisch publizierten) Arbeiten einer breiten deutschsprachigen Öffentlichkeit zur Verfügung. Damit ist das Buch von großem wissenschaftlichem Wert, denn neben einigen Fotos von der Ausstellung werden mehrere analytische Auseinandersetzungen und wichtige Erkenntnisse, die aus den Akten geborgen werden konnten, im Buch präsentiert. Besonders hervorgehoben werden soll hier der Beitrag von Aleksej V. Zachar?enko, der die zum Thema Gulag erschienene Forschungsliteratur kritisch beleuchtet. Der Autor skizziert unterschiedliche Forschungsfelder, die in den vergangenen Jahren entstanden sind, wobei er auch deren methodischen Zugriff und thematische Verengung problematisiert. So weist er beispielsweise auf den unkritischen Gebrauch der „Dokumentensprache“ hin, durch die die Geschichte des Gulags in eben jenen Kategorien erfasst wird, „die durch die Institutionen der Stalin‑Ära hervorgebracht wurden“ (71). Darüber hinaus sei die Ökonomie der Zwangsarbeit zwar vielfach thematisiert, aber die tatsächlichen wirtschaftlichen Möglichkeiten (klimatische Bedingungen, Verrichtung qualifizierter Arbeit u. Ä.) bisher nur unzureichend beleuchtet worden.
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Rubrizierung: 2.622.252.232.3122.3142.35 Empfohlene Zitierweise: Ines Weber, Rezension zu: Julia Landau / Irina Scherbakowa (Hrsg.): Gulag. Göttingen: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/38236-gulag_45804, veröffentlicht am 02.04.2015. Buch-Nr.: 45804 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken