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Eva Marlene Hausteiner

Greater than Rome. Neubestimmungen britischer Imperialität 1870-1914

Frankfurt a. M./New York: Campus Verlag 2015; 411 S.; 45,00 €; ISBN 978-3-593-50307-3
Politikwiss. Diss. Berlin; Begutachtung: H. Münkler, J. Osterhammel. – Um die Jahrhundertwende vom 19. zum 20. Jahrhundert habe, so Eva Marlene Hausteiner, der britische Imperialismus im Zentrum politischer Romreflexion gestanden – „in der Fremdbetrachtung, vor allem aber in der Selbstbetrachtung“ (8). Rom, das einzig wahre „Welt“‑Reich, „das es je gab“ (wie Jürgen Osterhammel zitiert wird, 29), nehme in der europäischen Geistes‑ und Politikgeschichte einen festen Platz „als paradigmatisches Imperium und Ressource der Legitimation und Selbstreflexion“ (28) ein – in Mussolinis Italien und (neben Sparta) in Nazideutschland ebenso wie im britischen Empire. Hausteiner untersucht in ihrer politiktheoretischen Dissertation die Legitimationen des britischen Imperialismus anhand der Referenz seiner politischen Eliten auf das Römische Reich im spätviktorianischen und im edwardischen Zeitalter von 1870 bis 1914. Überraschend sei, dass die britischen Selbstvergleiche mit Rom anstelle von historisch näherliegenden politischen Ordnungen (etwa frühneuzeitliche Kolonialreiche) erfolgt seien. Zudem zeichneten sich diese Selbstvergleiche durch „spezifisch imperiale Bezugnahmen“ aus – man könnte auch sagen: Narrative der Imperialität –, die auf einen „imperial turn“ (29) zum Ende des „langen“ 19. Jahrhunderts verwiesen. Hausteiner zeichnet Eignung und Grenzen des „Repertoire[s]“ (358) diverser Muster und politischer Zugriffsmöglichkeiten für (um)deutende und selektive Romrezeptionen nach. Dabei verweist sie auf Widersprüche, die entlang der britischen Neubestimmung dreier zentraler Charakteristika von Imperialität – „Dauerhaftigkeit, Vorherrschaft und heterogene Großräumigkeit“ (350) – bestanden, insbesondere im Spannungsverhältnis von Liberalismus und Imperialismus, also der „‚combination of power and freedom'“ (212): In einer technokratisch‑hierarchischen Interpretation Roms seien universalistische zugunsten gewaltaffiner Ordnungsideen demontiert worden. Die gut begründete Verortung in der Forschungslandschaft und die Analyse von historischen Diskursen aus der Perspektive der politischen Theorie greift Hausteiner im Fazit erfreulicherweise nochmals auf: Wenngleich sich ihre Diagnose auf einen spezifischen historischen Kontext beziehe, handle es sich aus „imperientheoretischer Perspektive“ um „eine Fallstudie mit durchaus abstraktionsfähigen Implikationen“ (354). Letztere ergäben sich etwa aus der Möglichkeit einer Beurteilung von bestehenden wissenschaftlichen Thesen, aus dem Modell‑ und Referenzcharakter der britischen Deutungsmuster für spätere Diskurse und aus theoretischen Konzeptualisierungen, spezifischen „Typen angestrebter Imperialität“ (27) also. Interessant könnte es daher auch sein, im Anschluss an Hausteiners Studie gegenwärtige imperiale Selbstlegitimationen mit jenen des damaligen britischen Empires zu vergleichen.
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Rubrizierung: 4.14.222.61 Empfohlene Zitierweise: Hendrik Simon, Rezension zu: Eva Marlene Hausteiner: Greater than Rome. Frankfurt a. M./New York: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/38818-greater-than-rome_47076, veröffentlicht am 03.09.2015. Buch-Nr.: 47076 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken