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Kristina Köhler

Gerechtigkeit als Gleichheit? Eine empirische Analyse der objektiven und subjektiven Responsivität von Bundestagsabgeordneten

Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften 2010; 303 S.; brosch., 39,95 €; ISBN 978-3-531-17053-4
Politikwiss. Diss. Mainz; Gutachter: F. W. Falter, G. Mielke. – Kaum eine Dissertation ist in jüngster Zeit so kritisch betrachtet worden wie die Studie der 2009 zur Bundesfamilienministerin berufenen Kristina Köhler. Im Zentrum der empirischen Arbeit steht die Frage, ob CDU-Bundestagsabgeordnete und CDU-Mitglieder „Gerechtigkeit als Gleichheit“ definieren oder eher nonegalitär. Auch wird untersucht, ob die Abgeordneten gegenüber der CDU-Basis responsiv sind und deren Grundauffassung vertreten. Köhler hat dafür 180 CDU-Abgeordnete und 1.000 repräsentativ ausgewählte Mitglieder befragt. Sie selbst gehört zu einer Gruppe jüngerer CDU-Mitglieder, die nonegalitäre Ansichten im Sinne Harry Frankfurts und des hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch vertreten. Nach treffender Darstellung der Forschungslage interpretiert Köhler die Ergebnisse ihrer Befragung so, dass nonegalitäre Werthaltungen „zum ideologischen Kernbestand der CDU“ (262) gehören, die aber von den CDU-MdBs nur bedingt repräsentiert würden: „60,8 % der Abgeordneten nehmen die Einstellungen der Mitglieder richtig wahr. Die nonegalitären Einstellungen der Mitglieder werden von den Abgeordneten deutlich unterschätzt“ (248), sogar „von den meisten Abgeordneten nicht erkannt“ (260). Dass zum Kernbestand der CDU-Werte auch die christliche Soziallehre gehört, wird von Köhler zwar indirekt zugestanden, da religiös geprägte Mitglieder und MdBs stärker ausgleichende Gerechtigkeit bevorzugten. Ihre Interpretation verkürzt sie aber u. a. darauf, dass die CDU-Basis „enttäuscht von der Politik der Großen Koalition“ (262) sei, weil die Kluft zwischen den Ansprüchen des Leipziger Parteitags 2003 und realisierter Umverteilungspolitik in der Großen Koalition so groß sei. Das ist gewagt, weil Interviewfragen und Datenbasis diese Interpretation nur bedingt zulassen. Belegt ist dagegen der Hinweis, dass die subjektive Responsivität ihrer Abgeordnetenkollegen mit gut 70 % insgesamt hoch ist. Der Arbeit mangelt es an sprachlicher Klarheit, zurück bleibt ein zwiespältiger Eindruck.
Armin König (AK)
Dr., Verwaltungswissenschaftler, Bürgermeister der Gemeinde Illingen, Dozent Fachhochschule für Verwaltung (FHSV) des Saarlandes.
Rubrizierung: 2.331 | 2.35 Empfohlene Zitierweise: Armin König, Rezension zu: Kristina Köhler: Gerechtigkeit als Gleichheit? Wiesbaden: 2010, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/31719-gerechtigkeit-als-gleichheit_37795, veröffentlicht am 23.02.2010. Buch-Nr.: 37795 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken