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Emmanuel Godin / Natalya Vince (Hrsg.)

France and the Mediterranean. International Relations, Culture and Politics

Oxford u. a.: Peter Lang 2012 (Modern French Identities 86); XVII, 354 S.; pb., 47,50 €; ISBN 978-3-0343-0228-9
Im Küchenkabinett der internationalen Politik gilt das französische Interesse an Nordafrika als feste Zutat politischer Aktivitäten im Mittelmeerraum. Seien es unilaterale oder bilaterale Handlungen im militärischen, wirtschaftlichen oder kulturellen Bereich, selten wird die koloniale Vergangenheit Frankreichs als konzeptuelle Begründung dafür infrage gestellt. Aber welches politische Konzept steht tatsächlich hinter den französischen Einlassungen in ehemaligen Kolonialstaaten? Warum ist Frankreich auch in nordafrikanischen Staaten, mit denen es keine geschichtlichen Parallelen teilt, aktiv? Und welche Rolle spielen dabei Ethnien und das Konstrukt einer kulturellen Identität? Auf diese Fragen suchen die Autorinnen und Autoren des Sammelbandes Antworten. Die Beiträge wurden seit dem Jahr 2009 erstellt und im Rahmen der nordafrikanischen Revolutionen in der Folge angepasst und erweitert. Jean‑Yves Moisseron und Manar Ezzat Bayoumi zeigen in diesem Zusammenhang die historische Entwicklung des Konzepts eines Mittelmeers vom römischen Mare Nostrum bis hin zur Mittelmeerunion auf und deuten dies als Reflex einer postkolonialen europäischen Gesellschaft. Sie machen deutlich, wie sehr das heutige Konzept auf Eliten zielt und an der Realität der meisten Menschen in nordafrikanischen Staaten vorbeigeht. Dem politischen Gehalt nach sehen die Autoren in dem Konzept der Mittelmeerunion wenig mehr als ein Vehikel von in Nordafrika tätigen NGOs, an die Infrastrukturhilfe der EU zu gelangen. Der nachlassende Impetus der EU im Barcelona‑Programm erklärt sich darüber hinaus hinlänglich, folgt man Ivano Bruno, der die Mittelmeerpolitik der EU hauptsächlich auf die Beeinflussung der europäischen Agenda durch Spanien und Frankreich zurückführt. Ist also die Beziehung Frankreichs nicht mehr als ein historisches Artefakt und eine inhaltlose Hülle? Nicht ganz, erklärt Natalya Vince in ihrem Beitrag. Die koloniale Vergangenheit am Mittelmeer laufe zwar nicht mehr wie die Seine durch Paris, sei aber auch keine unüberwindbar trennende Mauer. Sie diene durchaus als legitime Begründung für außenpolitisches Handeln Frankreichs in Nordafrika, auch wenn beanspruchte Legitimität immer wieder aufs Neue überprüft werden müsse. Insgesamt bietet der Band eine nüchterne und durchaus erfrischende Sammlung von informativen Aufsätzen zur Einordnung französischer Außenpolitik im Mittelmeerraum.
Jens Wassenhoven (JWN)
Dipl.-Kfm., Dr., Politikwissenschaftler.
Rubrizierung: 4.22 | 2.61 | 2.67 Empfohlene Zitierweise: Jens Wassenhoven, Rezension zu: Emmanuel Godin / Natalya Vince (Hrsg.): France and the Mediterranean. Oxford u. a.: 2012, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/35699-france-and-the-mediterranean_43110, veröffentlicht am 07.03.2013. Buch-Nr.: 43110 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken