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Sarah Ruth Sippel

Export(t)räume. Bruchzonen marokkanischer Landwirtschaft

Bielefeld: transcript Verlag 2014 (Global Studies); 381 S.; kart., 34,99 €; ISBN 978-3-8376-2115-0
Diss. Leipzig. – Marokko gehört zu den größten außereuropäischen Exportländern für Obst und Gemüse in die EU, die im Südwesten gelegene Souss‑Ebene wurde im Laufe der vergangenen Jahrzehnte zur zweitwichtigsten Wirtschaftsregion des Landes ausgebaut. „Früher, da waren die Gemüsebetriebe hier in der Region 2, 3 oder 4 Hektar groß – heute sind es viele sehr große Betriebe, 300 oder 400 Hektar! Das sind sehr große Unternehmen … und vor allem die Bevölkerung hat sich verändert … die Bevölkerung hat sich sehr verändert.“ (10) Dieses Zitat aus einem Interview, das die Autorin mit dem Präsidenten einer Exportkooperative für Frühgemüse geführt hat, deutet die mit der globalisierten Agroindustrie einhergehenden ökonomischen und soziostrukturellen Veränderungen an: Während einige Kleinbauern zu global agierenden Exportmanagern aufstiegen und kleine Familienunternehmen sich zu Großbetrieben entwickelten, habe die Mehrheit der ländlichen Bevölkerung im Souss nicht am Erfolg der Exportwirtschaft teilhaben können. In ihrer sozialgeografischen Studie analysiert Sarah Ruth Sippel diesen strukturellen Wandel und fragt nach den Mechanismen von Integration und Exklusion. Aus einer akteurszentrierten Perspektive und auf der Basis von in mehreren Feldforschungen selbst erhobenem empirischem Material untersucht sie die Handlungsspielräume der in den Export eingebundenen Akteure wie Jungunternehmer, Kooperativen und Exportgruppen, Investoren sowie europäische Unternehmen. Beispielsweise zeigt sich, dass die Mehrheit der in der Exportlandwirtschaft Beschäftigten ursprünglich nicht aus der Region stammt, dass die nationale Agrarexportstrategie vor allem auf Großbetriebe ausgerichtet ist und eine Kapitalisierung auch der lokalen Landwirtschaft nach sich gezogen hat. Zu den Gewinnern zählt, wer über Bildung und/oder Kapital verfügt und regional gut vernetzt ist. Insgesamt aber, so lautet der Befund, steht einer kleinen Gruppe erfolgreicher Exportunternehmen „eine zunehmend größere Gruppe gegenüber, deren Existenzsicherung mittlerweile die Kommodifizierung ihrer Arbeitskraft in prekären Lohnarbeitsmärkten verlangt“ (326). Vor allem aber wird der Exportsektor im Souss „von einer kleinen Gruppe von ‚Megaproduzenten’ dominiert, die zur politisch‑ökonomischen Elite Marokkos zu zählen sind“ (126), schreibt die Autorin und verweist damit auf die wechselseitigen Verflechtungen zwischen Exportlandwirtschaft und politischer Einflussnahme.
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Rubrizierung: 2.672.2622.263 Empfohlene Zitierweise: Anke Rösener, Rezension zu: Sarah Ruth Sippel: Export(t)räume. Bielefeld: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/38042-exporttraeume_46216, veröffentlicht am 05.02.2015. Buch-Nr.: 46216 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken