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Wilfried Loth

Europas Einigung. Eine unvollendete Geschichte

Frankfurt a. M./New York: Campus Verlag 2014; 512 S.; 39,90 €; ISBN 978-3-593-50077-5
Die moderne Politikwissenschaft ist zu einem überwiegend geschichtslosen Fach geworden, denn für die politikwissenschaftliche Analyse wird vielfach nur noch die unmittelbare Vorgeschichte der Gegenwart betrachtet. Im Hinblick auf die Europäische Union ist das in besonderer Weise misslich, denn die Struktur und Funktionsweise dieses einzigartigen politischen Systems lassen sich kaum erfassen, wenn die historischen Ausgangsbedingungen und die politischen Entwicklungen früherer Jahrzehnte unberücksichtigt bleiben. Wilfried Loths Buch ist deshalb eine willkommene Herausforderung für jene, die sechzig Jahre Integrationsentwicklung entweder in ein einheitliches theoretisches Gerüst zwängen wollen oder mit einfachen Kategorien wie „Dynamik“ und „Stillstand“ einzelne Phasen scheinbar sauber voneinander trennen wollen. Dass es auch anders hätte kommen können, dass die Akteure des Integrationsprozesses trotz sehr unterschiedlicher Interessen und situativen Belastungen immer wieder zu Kompromissen gekommen sind, dass sich auch in vermeintlich statischen Zeiten etwas bewegt hat – all das lässt sich in diesem Buch nachlesen. Schon deshalb wird es das historische Referenzwerk für alle sein, die sich mit der EU beschäftigen. Darüber hinaus zeichnet sich das Buch insofern aus, als Loth den Bogen bis in die Gegenwart spannt und damit auch die bislang in der historischen Forschung eher wenig beachteten 1970er‑ und 1980er‑Jahre auf breiter Quellenbasis in den Blick nimmt. Seine Antwort auf die Frage, wie sich die EU künftig entwickeln wird, fällt nicht eindeutig aus, denn die Frage der Zustimmung der Bürgerinnen und Bürger sei zu einem kritischen Faktor der europäischen Politik geworden. Das Demokratiedefizit sei „zum drängendsten Problem“ (418) geworden: „Die Zukunft der Europäischen Union wird darum in ganz entscheidendem Maß davon abhängen, wie weit es gelingt, Entscheidungen in der Europäischen Union transparent, kontrollierbar und korrigierbar zu machen“ (419).
Wilhelm Knelangen (WK)
Dr., wiss. Ass., Institut für Sozialwissenschaften (Bereich Politikwissenschaft), Universität Kiel.
Rubrizierung: 3.13.23.53.3 Empfohlene Zitierweise: Wilhelm Knelangen, Rezension zu: Wilfried Loth: Europas Einigung. Frankfurt a. M./New York: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/37249-europas-einigung_45529, veröffentlicht am 03.07.2014. Buch-Nr.: 45529 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken