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Michael Essig

Europäische Identitätsfindung. Das Reich als europäische Vision

Hildesheim/Zürich/New York: Georg Olms Verlag 1999 (Historische Texte und Studien 20); 361 S.; pb., 68,- DM; ISBN 3-487-11046-6
Die Studie ist als Beitrag zur "historischen Kulturanthropologie" angelegt. Deren Ansatz weicht vom diachronen Geschichtsverständnis zugunsten der Untersuchung gesellschaftlicher Strukturzusammenhänge ab, um die menschliche Gesellschaften prägenden langfristigen Erklärungsmomente "herauszufiltern" (15). Ein Brennpunkt dieses Erkenntnisinteresses ist (kollektive bzw. gesellschaftliche) "Identität", verstanden als psychologische Kategorie, in der Geschichte, Kultur, Religion und Sprache als Bewußtseinsebenen bzw. wechselseitig sich bedingende Komponenten zusammenwirken, um im Ergebnis ein bestimmtes Zugehörigkeitsgefühl zu vermitteln. "Reich" als "kulturelles Schlüsselwort" (21) europäischer Identität bildet in diesem Sinne den Hauptgegenstand der Untersuchung. Der Autor vertritt die Auffassung, die durch die Französische Revolution propagierte Konzeption der "Nation" sei als Identitäts- und Ordnungskonzept für eine Integration Europas deshalb wenig geeignet und historisch nicht erfolgreich gewesen, weil sie von einem Freiheitsgefühl ausgehe, welches anderen Völkern nicht vermittelt bzw. von diesen nicht vollständig geteilt werden könne. Hier hat der Verfasser vor allem die Völker im "mitteleuropäischen Kulturraum" im Auge. Die moderne, nach Ansicht des Autors maßgeblich von Frankreich forcierte Entwicklung der Nation als Gegenentwurf zum Reich habe zu einer Verengung und einem partiellen Bedeutungsverlust der Reichsidee geführt, die schließlich im Nationalsozialismus ihren "tragischen" Höhepunkt (37) erreicht hätten. Letztlich geht es dem Autor darum, den historisch älteren, "richtigen Bedeutungsinhalt" (37) des Reichsbegriffes zu rekonstruieren und ihn als der "Nation" übergeordnete Konzeption für das zeitgenössische Problem einer Identitätsbestimmung im europäischen Kontext wieder brauchbar zu machen. Inhaltsübersicht: A. Begriff Europa - Kulturelle und geschichtliche Grundlagen Europas; B. Die Bedeutung des Schlüsselwortes Reich: I. Heiliges Römisches Reich als europäischer Kulturraum; II. Der sakrale Charakter des Reiches; III. Bewußtseinsstrukturen des Reiches. C. Die Nation als Gegenmodell zum Reich; D. "Aufhebung" des Heiligen Römischen Reichs im geistigen Raum Europas.
Michael Hein (HN)
Dr., wiss. Mitarbeiter, Arbeitsstelle für graphische Literatur, Universität Hamburg, freier Lektor, Übersetzer, Publizist.
Rubrizierung: 3.1 | 2.61 | 2.62 | 2.23 Empfohlene Zitierweise: Michael Hein, Rezension zu: Michael Essig: Europäische Identitätsfindung. Hildesheim/Zürich/New York: 1999, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/11471-europaeische-identitaetsfindung_13614, veröffentlicht am 25.06.2007. Buch-Nr.: 13614 Rezension drucken