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Jacques Delors

Erinnerungen eines Europäers. Aus dem Französischen von Karl-Udo Bigott und Annette Casasus

Berlin: Parthas 2004; 557 S.; hardc., 28,- €; ISBN 3-936324-20-4
Das im Original schlicht „Mémoires“ betitelte Buch enthält eine Mixtur aus politischen Lebenserinnerungen und ausführlichen programmatischen Darlegungen des früheren Gewerkschaftsfunktionärs und in Frankreich populären sozialistischen Politikers. Es basiert auf Interviews des Journalisten Jean-Louis Arnaud, der hier formal als Stichwortgeber fungiert. In Deutschland dürfte Delors primär aus seiner Zeit als Brüsseler Kommissionspräsident von 1985 bis 1995 erinnerlich sein; Ausführungen zu dieser Zeit nehmen knapp die Hälfte des Buches ein. Davor war er u. a. Mitarbeiter im französischen „Plankommissariat“ (1962-1969), Berater für Soziales im Kabinett des gaullistischen Premiers Chaban-Delmas (1969-1972), MdEP (1979-1981; dazu karge zwei Seiten), Wirtschafts- und Finanzminister während der ersten Präsidentschaft von François Mitterrand (1981-1984). Der Band ist eher für ein französisches Fachpublikum geeignet; für Neulinge auf den Gebieten französischer und europäischer Politik bzw. Verwaltung wird vieles unverständlich bleiben. Daran ändern auch diverse erläuternde Fußnoten für die deutsche Ausgabe wenig, zumal sie sachlich nicht immer richtig sind (359). Will man den Charakter des reichhaltigen, primär um sozial- und wirtschaftspolitische Fragen kreisenden Werks mit einem Wort charakterisieren, drängen sich die Begriffe „Technokratie“ oder „Dirigismus“ auf. Genau darin liegt, neben Anekdoten von diversen historischen Gipfeltreffen sowie eher wenig Hintergründen zum bislang dynamischsten Jahrzehnt des europäischen Integrationsprozesses, der zentrale Wert der Erinnerungen: Wer nachvollziehen will, aus welcher Geisteshaltung die auch für die europäischen Institutionen und deren Politik prägende „Planung à la française“ (u. a. 86) herrührt und wie sich diese manifestiert, der findet hier reichlich Anschauungsmaterial. Zu bemängeln ist das Lektorat, welches zahlreiche Schreib-, Grammatik-, und Übersetzungsfehler übersehen hat.
Andreas Beckmann (AB)
M. A., Doktorand, Institut für Sozialwissenschaften, Bereich Politikwissenschaft, Universität Kiel.
Rubrizierung: 3.1 | 2.1 | 2.61 Empfohlene Zitierweise: Andreas Beckmann, Rezension zu: Jacques Delors: Erinnerungen eines Europäers. Berlin: 2004, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/22132-erinnerungen-eines-europaeers_25233, veröffentlicht am 01.01.2006. Buch-Nr.: 25233 Rezension drucken