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Hermann Mückler

Entkolonisierung und Konflikte der Gegenwart in Ozeanien

Wien: facultas.wuv 2013 (Kulturgeschichte Ozeaniens 4); 336 S.; brosch., 19,90 €; ISBN 978-3-7089-0399-6
Hermann Mückler entfaltet die pazifische Karte in einem so großen Maßstab, dass auch die kleinste Insel sichtbar wird – und mit ihr Details, die für Geschichte und Gegenwart des Westens kein Ruhmesblatt sind. Im vierten und letzten Band seines Kompendiums zur Kulturgeschichte Ozeaniens (Melanesien, Polynesien und Mikronesien) schildert der Professor für Ethnologie an der Universität Wien die schrittweise Entkolonisierung dieser Inselwelt, die – und das mag überraschend sein – nicht abgeschlossen ist. Einige Inseln sind bis heute Teil Frankreichs, andere „und nicht zuletzt die seinerzeit in völkerrechtlich als problematisch zu beurteilenden Weise annektierten Hawaii‑Inseln stehen unter amerikanischer Verwaltung“ (9), West‑Papua ist von Indonesien annektiert. Und auch dort, wo die eigene Staatlichkeit erlangt wurde, wirkt die Kolonialgeschichte fort. Deren longue durée zeigt sich als das prägendste Charakteristikum in der Entwicklung des pazifischen Raumes. Mückler strukturiert seine Darstellung in Phasen: Von 1945 bis in die 1960er‑Jahre wurden die Kolonien rekonsolidiert – sie waren zwischenzeitlich von Japan besetzt oder von den USA übermäßig als Militärstützpunkte ausgebaut worden. Mit der Unabhängigkeit (West‑)Samoas begann 1962 die Entkolonisierung, die bis in die 1980er‑Jahre dauerte. Parallel dazu identifiziert Mückler eine Phase, die durch die Euphorie der Aufbruchszeit geprägt war, gefolgt von einer der nicht erfüllten Erwartungen. Ab den 1990er‑Jahren sei eine Neuorientierung festzustellen, „um den Herausforderungen der Gegenwart und prognostizierten Zukunft begegnen zu können“ (12). Mückler arbeitet diese Phasen für die einzelnen Inseln beziehungsweise Inselstaaten gründlich und informativ durch. Deutlich werden die Schwierigkeiten in der staatlichen und wirtschaftlichen Entwicklung, gefolgt von einer Arbeitsmigration, die für die Zukunft einen Rückfall einiger Inseln in die Isolation befürchten lässt. Belastet ist die Region zudem durch die Atomwaffentests Frankreichs und der USA. Diese Tests und die Weigerung der beiden Mächte, mit der kolonialen Vergangenheit abzuschließen, stellen eine Haltung dar, die schwerlich als Außenpolitik von Demokratien zu erkennen ist. Zudem zeigen sich neue Formen der Kolonisierung – US‑Geschäftsleute haben den Sezessionsversuch einer Insel, die zum 1980 unabhängig gewordenen Inselstaat Vanuatu gehört, finanziell unterstützt mit dem Ziel, dort „ein steuerfreies Unternehmerparadies aufzubauen“ (117). In seinem Ausblick benennt Mückler Australien und China als neue hegemoniale Mächte in Ozeanien. So wird es nicht nur äußeren Einflüssen ausgesetzt bleiben, sondern auch – damit verbunden – Hilfe erhalten. Und diese ist „letztlich die Grundlage für die Existenz der Inselstaaten“ (280).
Natalie Wohlleben (NW)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.66 | 2.1 | 2.21 | 2.22 | 2.25 | 4.1 | 4.44 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Hermann Mückler: Entkolonisierung und Konflikte der Gegenwart in Ozeanien Wien: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/35767-entkolonisierung-und-konflikte-der-gegenwart-in-ozeanien_43382, veröffentlicht am 04.04.2013. Buch-Nr.: 43382 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken