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Karen Schönwälder

Einwanderung und ethnische Pluralität. Politische Entscheidungen und öffentliche Debatten in Großbritannien und der Bundesrepublik von den 1950er bis zu den 1970er Jahren

Essen: Klartext 2001; 700 S.; brosch., 39,90 €; ISBN 3-89861-057-8
Politikwiss. Habilitationsschrift Gießen. - Die Bundesrepublik und Großbritannien sind seit den 50er-Jahren zu Einwanderungsländern geworden, auf den ersten Blick scheinbar wider Willen. In der öffentlichen Diskussion herrscht sogar gelegentlich der Eindruck vor, dass die Einwanderung in jenen Jahren überhaupt nicht als solche wahrgenommen worden sei. Diesen Eindrücken widerspricht die Autorin nach der Auswertung von Regierungspapieren und Zeitungsartikeln aus den 50er- bis 70er- Jahren. Die Einwanderungspolitik beider Länder sei in den allgemeinen politischen Kontext eingebunden und von Beginn an ein Thema in der öffentlichen Diskussion gewesen. Die Akzeptanz der aktiven Einwanderungspolitik sei dabei auch mit außenpolitischen Faktoren zu begründen. Großbritannien sah sich anfangs noch, mit dem Commonwealth im Hintergrund, als Weltmacht. Und Deutschland betrieb die Anwerbung ausländischer Arbeitskräfte nicht allein unter ökonomischen Aspekten, sondern auch im Hinblick auf die angestrebte Westintegration, als Beweis für Weltoffenheit und Toleranz. In beiden Ländern wurde den Regierungen und der Öffentlichkeit schnell deutlich, dass die Emigranten auf Dauer bleiben und damit auch die politische Kultur und Lebensform in ihren Ländern verändern würden. Diese Aspekte sind also keinesfalls so neu, wie es in den immer wieder aufschäumenden Debatten zur Ausländerpolitik den Anschein hat. In den 70er-Jahren verschob sich in Großbritannien die Wahrnehmung der eigenen Rolle von außen- auf innenpolitische Faktoren; eine offene Einwanderungspolitik hatte als Beweis für eine - nicht mehr vorhandene - Vormachtstellung in der Welt ihre Funktion verloren. Auch in Deutschland gaben innenpolitische Faktoren wie der Abschied von der Wachstumseuphorie und die Angst vor steigender Arbeitslosigkeit den Ausschlag dafür, die Anwerbung ausländischer Arbeitskräfte zu stoppen. In beiden Ländern endete damit die Primärimmigration, die der nachziehenden Familienmitglieder und der politischen Flüchtlinge hält bis heute an. Die Autorin hält als Fazit ihrer Untersuchung den Regierungen beider Länder vor, nicht die politische Verantwortung für die Einwanderung übernommen zu haben.
Natalie Wohlleben (NW)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.23 | 2.35 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Karen Schönwälder: Einwanderung und ethnische Pluralität. Essen: 2001, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/16871-einwanderung-und-ethnische-pluralitaet_19382, veröffentlicht am 01.01.2006. Buch-Nr.: 19382 Rezension drucken